Schelte für Kohls Euro-Schnitzer

Der Kanzler war beim Gipfel um den Euro ganz schlecht vorbereitet, meint die Opposition. Schon verlor der große Europäer den Gleichmut. Kohl in der Defensive  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Die Miene von Helmut Kohl wurde immer grimmiger, während er von der Regierungsbank aus die Bundestagsdebatte über die Beschlüsse des Brüsseler Euro-Gipfels verfolgte. Gegen ihn ganz persönlich richteten sich schwere Vorwürfe der Opposition: Schlecht vorbereitet sei er gewesen und einer groben Fehleinschätzung der Situation erlegen. Politisch sei der Gipfel ein Debakel gewesen. „Wir haben ein Recht darauf, daß Sie das heute hier erklären“, rief der bündnisgrüne Fraktionschef Joschka Fischer dem Bundeskanzler zu. Der hatte gestern eigentlich seinem Finanzminister Theo Waigel das Feld überlassen wollen. Dann aber meldete sich der große Europäer Kohl überraschend ganz zum Schluß der Aussprache doch noch zu Wort.

Äußerungen von Joschka Fischer über das deutsch-französische Verhältnis hätten ihn dazu veranlaßt, erklärte Kohl. Der bündnisgrüne Politiker hatte gewarnt, das deutsch-französische Verhältnis entwickele sich „in eine negative Richtung“. Es gebe große Widersprüche in wirtschafts- und innenpolitischen Fragen. Kohls Zurückweisung klang wie eine indirekte Bestätigung: „Es ist nicht so, daß die deutsch-französischen Beziehungen gefährdet sind. Es stellen sich nur neue Probleme.“

„Sie haben gegen den Geist des Vertrags von Maastricht verstoßen“, warf die SPD-Abgeordnete Heidemarie Wieczorek-Zeul dem Bundeskanzler vor. Der Streit um die Amtszeit des künftigen Präsidenten der Zentralbank hat dafür gesorgt, daß die Europapolitik nun doch zu einem Wahlkampfthema geworden ist – allerdings anders als von der Regierung ursprünglich erhofft. In Hintergrundgesprächen mit Journalisten habe die Union in den letzten Wochen den Eindruck erweckt, die endgültige Entscheidung für den Euro werde der Beginn eines Stimmungsumschwungs zu ihren Gunsten sein, sagte SPD- Fraktionschef Rudolf Scharping: „Wenn Sie diese Erwartung erzeugt haben, dann dürfen Sie sich über das Echo nicht wundern.“ Die „wahltaktischen Bemühungen“ seien gescheitert.

Die Wahl werde „nicht heute mittag in dieser Frage entschieden, sondern von den Wählern. Das warten wir gelassen ab“, gab Kohl zurück. Er klang ungewöhnlich defensiv – wie auch andere Redner des Regierungslagers. „Was zählt, ist nicht die Begleitmusik. Was zählt, sind die Resultate“, meinte Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. „Wie lange das Mittagessen der Staats- und Regierungschefs gedauert hat, interessiert übermorgen überhaupt niemanden mehr.“

Der Euro werde „den Einfluß Europas in der Welt stärken“, verteidigte Finanzminister Waigel die neue Währung. Dabei war der Euro von niemandem außer vom PDS-Redner Michael Müller angegriffen worden. Der sieht im Verlauf des Gipfels Hinweise auf „Konstruktionsfehler“ des Euro und warnte vor Nationalismus als Folge von eurobedingtem Konkurrenzdruck: „Der Euro spaltet Europa in Gewinner und Verlierer.“

Die anderen Parteien sprachen sich eindeutig für die Einführung der neuen Währung aus. Dem Antrag von Union und FDP, den Brüsseler Gipfelbeschlüssen zuzustimmen, mochte sich die Opposition allerdings nicht anschließen. SPD und Bündnisgrüne enthielten sich. Und die PDS stimmte gegen das neue europäische Geld.