Kommentar
: Das Ende der Medienzukunft

■ Leo Kirchs Finanznöte und die Krise der digitalen Revolution

Leo Kirch hat kein Geld, das weiß die Welt. Wo immer Deutschlands schillerndster Medienzar, der mit seiner Familie über Fernsehen (Sat.1, Pro7) wie über Presse (Springer-Verlag) gebietet, in den letzten Monaten wegen eines Kredits anklopfte, stieß er auf verschlossene Türen. Viele seiner Beteiligungen hat er schon beliehen. Andere will er nun offenbar auf Rupert Murdoch übertragen, seinen australo-amerikanischen Bruder im Geiste – so soll Kirchs Imperium einigermaßen beisammen bleiben. Der Staatsanwalt ermittelt wegen 400 Millionen Mark angeblich hinterzogener Steuern, der Pakt mit Bertelsmann, der ihm Luft verschaffen sollte, steht vor dem Verbot durch die EU-Kommission. In Kirchs Konzernzentrale dürfte nach den jüngsten Veröffentlichungen über die Geldnot Endzeitstimmung herrschen – auch wenn das Medienreich nun ebensowenig völlig zusammenbrechen wird wie in vergangenen Krisen.

Kirch ist mit einem Traum am Ende: Er wollte in Deutschland Erster sein bei einer großen Medienrevolution, der Digitalisierung, mit der statt 30 einmal 150 Programme übertragen werden und einträgliche Abonnementgeschäfte ermöglicht werden sollen. Mächtigster wollte er werden, und das, wenn es geht, als Monopolist. Dafür hat Kirch sein Reich aufs Spiel gesetzt. Er hat gespielt – und verloren. Der simple Grund: Die Digitalisierung kommt viel langsamer voran als von Kirch kalkuliert. Und daran sind nicht die Monopolbedenken der EU-Kartellwächter schuld, wie Bertelsmann und Kirch behaupten, sondern schlicht das Zögern des Publikums. In den Zeiten der wirtschaftlichen Krise ist den Leuten eben schwer klarzumachen, warum sie für ein wenig mehr Fernsehen viel tiefer in die Tasche greifen sollen als für die zwei Dutzend TV-Angebote, die sie ohnehin schon kriegen.

Doch den Traum des Leo Kirch haben viele geträumt. Auch Standortpolitiker, insbesondere in Bayern und NRW, haben riesige Summen in die große, die digitale Zukunft des Medienbusiness investiert – Steuergelder, nicht Filmhandelsgewinne wie Kirch. So wie Kirch an die Verheißung von Macht glaubte, haben sie die Verheißung von Arbeitsplätzen gepredigt. Mit diesen Hoffnungen könnten sie bald in einen ebensolchen Abgrund blicken wie jetzt Leo Kirch mit seiner Vabanque-Ökonomie. Denn die große Medienzukunft läßt auf sich warten. Lutz Meier

Bericht Seite 18