■ Gut ist nie nicht gut genug, und Hertie hat's: Den Hexaglot, das Ding aus der Zukunft
: Ein Bravo auf unser fabelhaftes Computerzeitalter!

Tosa heißt ein Arschgeigenverlag, der „aktuelle Sachbücher“ auf der Pfanne hat, spannende Literatur zu den ewig jungen Themen Astrologie, Mysterienschmarren, Jahrtausendoffenbarungen und Nostradamusgeschwätz; ein Haus, das bei Karstadt und Hertie gut untergebracht scheint.

Das vierteljährliche Special-interest-Werbemagazin für ihre Abteilungen „Bedrucktes Papier und schwarze Buchstaben zwischen bunten Kotzumschlägen“, woselbst Tosas Gesamtdreck freizügig angepriesen wird, benennen die beiden fortschrittlichen Warenhäuser Libellus – Das Büchermagazin von Karstadt und Hertie – weil „genau das ist Libellus: eine „kleine Schrift, in der gute Bücher groß herauskommen“. Schließlich wanzen vornehmlich Tosas Spitzenwerke groß und breit in Herties und Karstadts Regalen herum.

Libellus 1/98 wiederum betört abseits des realen Kaufhauselends durch ein verwirrend spezielles Editorial („Verfolgen Sie gespannt das Auf und Ab der Top-Autoren in den Bestseller-Listen? Und vor allem: Lesen Sie gerne? Dann gehören Sie zu denen, für die wir Libellus gemacht haben. Denn Libellus will Ihnen Lust machen – Lust auf neue Bücher“), ein Angebot, daß man die Welt erbrechen möchte (von Birgit „Backfisch“ Schrowange über Natürlich heilen mit Apfelessig und Peter „Scholle“ Scholl-Latour bis Rezepte für die Gesundheit – Apfelessig), und den 50 Seiten lang sorgsam portionierten PR-Feldzug für den Hexaglot, den, jawohl, keinen Zweifel gibt's: Hexaglot.

Was in aller Herrgottsfrühe und um Himmels willen soll aber der Hexaglot sein? Er ist, erklärt eine Anzeige auf Seite 35, „das Ding aus der Zukunft“, ein genauer: „Quicktionary – Scannt, erkennt & übersetzt.“

Sackzement! Ausschauen tut das Teil wie ein Textmarker. Drauf sind ein roter Einschaltknopf und sechs weitere Tasten. Daneben wurde ein LCD-Feld plaziert, in dem Texte erscheinen, die Nostradamus' oder Tosas Ufos (vgl. Ufo – das Jahrhundertphänomen) senden. Mit Hilfe des Hexaglot friemelt der Leser nun entweder in Nostradamus' Nase oder dessen Schriften herum und erhält eine blitzsaubere Übersetzung auf seinem mikroskopisch großen Griffelschirm, denn im Computerfutureage muß alles recht winzig sein, damit's poppt und funkt: „Keine Science-fiction, sondern die Kombination aus ausgefeilter Schrifterkennung und leistungsfähigem Sprachcomputer. Quicktionary ist für 299 DM in Ihrer Karstadt-Buchabteiliung erhältlich!“ Seite 48 von Libellus, der großtuerischen Gratiszeitschrift für mickrige Hirne mit fetten Geldsäckeln, illustriert redaktionell weiterführend „die Hexaglot-Story – Eine Geschichte der Völkerverständigung“. 1991 „wurde das heute noch benutzte Hexaglot-Logo eingeführt (...). Mit dem Logo hat Hexaglot gleichsam die Völkerverständigung auf seine Fahnen geschrieben.“

Was freilich nicht reichte. Zum Logo gesellten sich nach diversen Sprachtaschenbillardrechnern eben auch „ideale Reisebegleiter“: „Wo immer die mobilen und abenteuerlustigen Reiseweltmeister rund um den Erdball auftauchen, trifft man in der Regel auch die handlichen“ Hexaglots und sieht, wie sie miteinander kommunizieren: „immer mehr, immer besser, immer funktioneller.“

Wir gratulieren. Die NASA, hört man, berät über einen Großeinkauf. Sie sollte „beim Libellus- Gewinnspiel“ (Seite 50) mitmachen. 1. Preis: „1 Hexaglot Quicktionary“.

1 Extrakompliment geht abschließend an unser fabelhaftes Computerzeitalter. Wie es das wieder hingebracht hat! Wir können bloß staunen. „Nur Sekunden später erscheint auf dem Display die Übersetzung.“ Wahnsinn.

Danke, Libellus. Schlauer samma jetzt. Jürgen Roth

Nummer 2/98 von „Libellus – Das Büchermagazin von Hertie und Karstadt“ erscheint am 26. Mai