„Alle müssen an einem Strang ziehen“

■ Der indonesische Oppositionsführer Amien Rais, Chef der Muslimorganisation Muhammadiyah mit 28 Millionen Mitgliedern, hofft auf ein Bündnis zwischen Demonstranten und Militär für Suhartos Sturz

taz: Wie kann Indonesien aus seinen Schwierigkeiten herauskommen?

Amien Rais: Wir brauchen die internationale Unterstützung. Das bedeutet auch, daß wir die Forderungen der internationalen Gemeinschaft erfüllen müssen. Die internationale Zusammenarbeit muß also ein Teil der Lösung sein. In Indonesien selbst brauchen wir eine große Koalition aus allen prodemokratischen Gruppen, um gemeinsam Lösungswege zu suchen.

Meinen Sie wirtschaftliche Reformen?

Nein, nicht nur wirtschaftliche Reformen. Zunächst müssen die Reformen vor allem das Leiden der Bevölkerung lindern. Viele Menschen verlieren ihre Jobs und müssen hungern. Wenn die Menschen hungern, können wir auch keine Reformen durchführen.

Und deshalb verlangen Sie den Rücktritt von Präsident Suharto?

Wenn ein Patient, der im Koma liegt, nach einiger Zeit gar kein Lebenszeichen mehr von sich gibt, dann ist er eigentlich schon klinisch tot. Wenn es aber Zeichen der Besserung gibt, dann gibt es Hoffnung. So können wir sehen, ob Suharto die Lösung für Indonesien bringen kann oder nicht. Und wir haben gesehen, daß es von der Regierung kein positives Signal gibt. Suharto kann anscheinend die Probleme nicht bewältigen. Suharto ist nicht die Lösung, sondern das Problem.

Ist es nicht zu spät für einen konstruktiven Dialog?

Es ist sehr schwierig, die weitere Entwicklung einzuschätzen. Aber gerade deshalb ist es jetzt immens wichtig, daß alle Leute, die Veränderung wollen, an einem Strang ziehen. Um blutige Unruhen zu vermeiden, müssen wir auch mit dem Militär reden.

Was ist die derzeitige Rolle des Militärs?

Es gibt derzeit zwei Positionen in Indonesien: die Studenten, die Suharto zum Rücktritt zwingen möchten, und Suharto, der unbedingt bis 2003 im Amt bleiben will. Das Militär steht zwischen diesen beiden Extrempositionen, und es muß sich jetzt entscheiden. Wenn sich das Militär für Suharto entscheidet und die Stimme des Volkes nicht hören will, werden wir blutige Unruhen sehen. Schlägt sich das Militär auf die Seite des Volkes, dann gibt es Hoffnung auf eine unblutige Veränderung. Ich denke, auch im Militär gibt es darüber im Moment Meinungsverschiedenheiten.

Haben die Studenten genug Ausdauer?

Jetzt ja, weil jetzt auch die Schüler mitmachen. Auch Mütter demonstrieren jetzt, und bald werden auch die Arbeiter und die städtische Jugend auf die Straße gehen. Den Prozeß kann man nicht mehr bremsen. Interview: Hendra Pasuhuk