Belgrader Schachzug

■ Serbiens Regierung macht Vorschlag zu lokaler Selbstverwaltung für den Kosovo

Wien (taz) – Allen Kampfhandlungen zwischen Albanern und serbischen Polizeieinheiten zum Trotz gibt es hinter den Kulissen fieberhafte Verhandlungen für eine Befriedung des Kosovo-Konflikts. Gestern veröffentlichte die Belgrader Tageszeitung Danas Details eines Gesetzentwurfs zur „lokalen Selbstverwaltung für Kosovo-Metohija“. Angeblich will das serbische Parlament in diesem Monat über einen Gesetzeskatalog abstimmen, dem zufolge die im kommunistischen Jugoslawien autonome Provinz Kosovo wiederhergestellt werden soll. Vorgesehen sind eigene Institutionen, wie Parlament, Regierung, und eine eigene Provinzverfassung.

Was auf den ersten Blick als redlicher Vorschlag erscheint, entpuppt sich schnell als ein geschickter Schachzug des Belgrader Regimes. Im Gegensatz zu der „autonomen Provinz Kosovo in der Föderativen Republik Jugoslawien“ der Jahre 1974 bis 1989 wird die neue Provinz „der Republik Serbien unterstellt“. Das Recht auf „Selbstbestimmung des albanischen Volkes von Kosovo-Metohija außerhalb der Grenzen Jugoslawiens“, so sehen es Belgrader Staatsrechtler, wird dadurch vereitelt. Kosovo bleibt bei Serbien, und Serbien ein Teil Jugoslawiens.

Für die politische Elite der Kosovo-Albaner, selbst für gemäßigte Politiker, ist dieser Vorschlag eine Verhöhnung ihres Kampfes für politische Autonomie. Vor allem stören sie Zusatzklauseln, die die paritätische Besetzung zentraler Provinz- und Verwaltungsorgane vorsieht. Da im Kosovo über 90 Prozent der Einwohner Albaner sind, werden die Serben bei einer paritätischen Verteilung stets bevorzugt, auf zwei Verwaltungsstellen kommen je ein Serbe und ein Albaner. So wird das Südtiroler Autonomieprinzip, das vielen Minderheiten in Osteuropa als Modell vorschwebt, im Fall des Kosovo zum Vorteil serbischer Nationalisten.

Das Fatalste am Belgrader Schachzug ist für die Kosovo-Albaner jedoch die Tatsache, daß die internationale Staatengemeinschaft auf den Vorschlag eingehen könnte. Bei Danas wird gemunkelt, der Plan sei mit Moskau abgestimmt, Athen und Rom könnten den Ideen einiges abgewinnen und selbst in Paris und Bonn gäbe es offene Ohren. Stimmte dies, wäre es ein herber Schlag für die kosovo- albanische Führung. Belgrad dagegen hätte zunächst Zeit gewonnen und drohende Sanktionen abgewehrt. Karl Gersuny