Zwickel fordert erneut 32-Stunden-Woche

■ IG-Metall-Chef plädiert auf einer Gewerkschaftskonferenz für klare Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Walter Riester widerspricht: Er ist für flexible Arbeitszeitkonzepte

Hannover (taz) – Für die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich hat der IG-Metall- Vorsitzende Klaus Zwickel gestern in Hannover auf einer arbeitszeitpolitischen Konferenz seiner Gewerkschaft plädiert. Die dreitägige Konferenz, zu der 450 Metallgewerkschafter in das Maritim-Hotel am Hannoverschen Flughafen kamen, steht unter dem Motto: „Die Zeiten ändern sich – Arbeitszeit verkürzen und gestalten. Gegen Arbeitslosigkeit.“ Zur Debatte steht ein umfangreiches Papier des IG-Metall-Vorstandes zu einer „Beschäftigungs- und arbeitszeitpolitischen Initiative“, das mittelfristig eine generelle Arbeitszeitverkürzung um zehn Prozent verlangt.

Klaus Zwickel forderte gestern energisch „kürzere Arbeitszeit für alle statt steigender Arbeitslosigkeit für viele“. Gegenwärtig würden die Bundesbürger tagtäglich und massenhaft „Arbeitszeitverkürzung in ihrer unmenschlichsten und unsinnigsten Form, nämlich als millionenfache Massenarbeitslosigkeit“ erleben. Für die Überwindung der Massenarbeitslosigkeit müsse sowohl das Arbeitsvolumen insgesamt vergrößert als auch die Arbeit gerechter verteilt werden. Für Zwickel kann daher „die Arbeitszeitpolitik zum Kristallisationspunkt der Debatte über die Zukunft und Erneuerung der Arbeitsgesellschaft werden“.

Der Vorschlag des IG-Metall- Vorstandes, das Arbeitszeitvolumen um zehn Prozent zu senken, entspricht nach den Worten von Zwickel entweder „der 32-Stunden-Woche oder dem 1.400-Stunden-Jahr“. Der IG-Metall-Vorsitzende selbst gab gestern einer klaren Forderung nach der 32-Stunden-Woche den Vorrang. Für kürzere Wochenarbeitszeiten werden alle eintreten und vielleicht auch viele streiken müssen, sagte er. In einer Auseinandersetzung, in der ein zugespitzter Konflikt sehr wahrscheinlich sei, brauche man eine klare Forderung wie die nach der 32-Stunden-Woche. Zwickel machte in Hannover aber auch klar, daß seine Metaller zunächst mehr Geld auf der Bank sehen wollen. In den kommenden Tarifbewegungen müsse seine Gewerkschaft für deutliche Einkommensverbesserungen mobilisieren. Zusammen mit einer sozialen Steuerreform stärke diese die Massenkaufkraft und führe somit auch zu mehr Beschäftigung, erläuterte Zwickel.

Dazugelernt will der IG-Metall- Chef bei der Frage des Lohnausgleichs haben. „Wir werden bei unserer arbeitszeitpolitischen Initiative am vollen Lohnausgleich festhalten“, versicherte er. Gegenüber seinem ersten Vorstoß für eine 32-Stunden-Woche habe er an diesem Punkt seine Meinung geändert. Der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende Walter Riester hatte sich zuvor in seiner Eröffnungsrede entgegen der Auffassung von Zwickel für Arbeitszeitkonten und flexible Arbeitszeitkonzepte ausgesprochen. Riester sagte vor den 460 IG-Metall-Funktionären, Arbeitszeitverkürzung und -gestaltung müßten miteinander verknüpft werden. Riester, der im Falle eines SPD-Wahlsiegs bei der Bundestagswahl im September Arbeits- und Sozialminister werden soll, fügte hinzu, alle Politikbereiche müßten an einem Strang ziehen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu verringern.

Die IG Metall will auf ihrer dreitägigen Konferenz über ein Vorstandspapier für eine „Beschäftigungs- und arbeitszeitpolitische Initiative“ diskutieren. Jürgen Voges

Bericht über Riester Seite 7