Lächeln, immer nur lächeln

Frankreichs Präsident Chirac und Bundeskanzler Kohl bemühten sich in Avignon, den Streit um den Vorsitz der Europäischen Zentralbank vergessen zu machen  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Ça va? – Ausgezeichnet, danke – Pas de nuages sur la relation franco-allemande – Welche Krise meinen Sie? – Je souhaite la réelection de Helmut Kohl.

In dem sanften provenzalischen Licht von Avignon sah plötzlich alles ganz anders aus. Eine halbe Woche nach ihrem Psychodrama von Brüssel spielten die beiden Hauptdarsteller Helmut Kohl und Jacques Chirac dieses Mal ein Luststück. Vom ersten Moment am Mittwoch abend an, als der wegen der Euro-Bundestagsdebatte mit 20 Minuten Verspätung angereiste Kohl noch keinen Fuß auf französischen Boden gesetzt hatte und Chirac bereits nach der Hand des Besuchers griff, bis zur gemeinsamen Abschlußkonferenz gestern mittag hielten die beiden ihr Strahlen durch. Sprachen sich gegenseitig Komplimente aus. Und lobten die bilateralen Beziehungen.

Von den ärgerlichen (Brüsseler) Themen Euro und Zentralbankpräsident soll in Avignon keine Rede mehr gewesen sein. „Stand nicht auf der Tagesordnung“, hieß es bei der Abschlußpressenkonferenz. Statt dessen sprachen die Männer – die beide katholisch, konservativ und politische Erben der EU-Gründerväter sind – von der Geschichte Europas und von der vielversprechenden Zukunft. Bei Kohl hieß das zusammengefaßt: „Heimat, Nation, Europa.“ Bei Chirac: „Europa der Nationen.“

Die konkreten europäischen Initiativen am Ende des zweitägigen 71. deutsch-französichen Treffens, das möglicherweise als der letzte bilaterale Gipfel von Chirac mit Kohl in die Geschichte eingehen wird, waren hingegen mager. Hauptsächlich empfahlen die beiden, die sich als „Motor der Europäischen Union“ verstehen, der EU eine Verstärkung des Subsidiaritätsprinzips, das seit Jahren durch die europäische Diskussion geistert. Konkret bedeutet es eine Aufwertung der Rolle der Regionen gegenüber der Zentralmacht in Brüssel. Beim nächsten EU- Gipfel im Juni in Cardiff wollen Chirac und Kohl dieses Prinzip, das die „kulturelle Identität der Regionen stärken“ soll, ihren Partnern nahebringen. In Sachen Zweierbeziehungen kamen in Avignon Empfehlungen an die Richter beider Länder zustande, um künftigen Streit um Kinder aus gescheiterten deutsch-französischen Ehen zu entschärfen.

Ein Omen? Eine neue Bescheidenheit? An initiativeverdächtigen und wichtigen europäischen Themen hat es vor Avignon jedenfalls nicht gefehlt. Unter anderem drängte der französische Staatspräsident auf eine politische Reform, die die Institutionen stärken soll, bevor die Erweiterung in Richtung Osteuropa stattfindet. Auch in Personalfragen sind deutsch-französische Absprachen nötig. Schließlich möchte Chirac den Ex-EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors mit der Ausarbeitung einer Institutionenreform beauftragen.

Und schließlich spekuliert Frankreich (schon wieder) auf den Vorsitz einer internationalen Bank. Dieses Mal möchte es die Zentraleuropäische Entwicklungsbank mit dem Franzosen Philippe Lagayette besetzen. Bonn hat seinerseits Horst Köhler, gegenwärtig Chef des Sparkassenverbandes, im Auge.

Auch andere ärgerliche Themen drangen in Avignon nicht bis zu den beiden Hauptdarstellern durch. So wurde die Gruppe von Arbeitslosen, die sich am Mittwoch zu einer Demonstration für soziale Mindestrechte in Europa getroffen hatte, weit vor der Place de l'Horologe, wo Chirac und Kohl weilten, abgefangen.

Avignon war schließlich ein Lustspiel.