Viehisch

Rinder spielten bereits bei den Menschen der Frühzeit eine große Rolle. Sie wurden angebetet, in Gesängen und Erzählungen verehrt, doch vor allem lieferten sie Nahrung, Kleidung, Boote, Zelte und Speere. Für den Rindfleischkult in England sind die Römer mitverantwortlich. Zwar hatten bereits die Kelten in Großbritannien eine Rinderkultur errichtet, doch nach der Invasion im Jahr 43 bot das römische Heer den englischen Bauern einen lukrativen Absatzmarkt für Rindfleisch.

Als das Weideland in Irland und Schottland für englische Rinder nicht mehr ausreichte, begann die Aristokratie, sich den Wilden Westen der USA teils legal, zum größeren Teil jedoch durch Finanzmanipulationen, illegale Geschäfte und Landraub unter den Nagel zu reißen und in Weiden zu verwandeln. Zunächst wurden die riesigen Büffelherden und mit ihnen die Indianer systematisch ausgerottet.

In den USA wurde die Rinderwirtschaft nach der Erfindung des Kühlwagens rasch industrialisiert. Upton Sinclair beschrieb 1904 die Zustände in einem Schlachthaus in Chicago, knapp hundert Jahre später sind ganze Nationen und Generationen mcdonaldisiert.

Es gibt inzwischen fast 1,3 Milliarden Rinder auf der Erde, genauso viele Menschen leiden laut WHO an chronischem Hunger. Ein Viertel der gesamten Festlandmasse der Welt dient als Weideland. In den USA werden siebzig Prozent der Getreideernte als Viehfutter verwendet, 157 Millionen Tonnen Getreide, Hülsenfrüchte und Gemüsepflanzen wandern jedes Jahr in Tiermägen. Hinzu kommen die Umweltprobleme: Waldrodungen, Bodenerosion, übermäßiger Wasserbedarf der Rinder und gigantischer Energiebedarf der Masttierhaltung. Darüber hinaus produzieren Rinder das Treibhausgas Methan – und zwar zwölf Prozent der Gesamtmenge, die in die Atmosphäre gelangt.

„Artgemäße Tierhaltung, ausgeglichene Diät, faire Landverteilung, das sind keine übermenschlichen Forderungen“, schrieb Ernst Ulrich von Weizsäcker im Vorwort zum unten angegebenen Buch. Übermenschlich nicht, aber in Anbetracht der mächtigen Rindfleischindustrie sind sie genauso utopisch wie Austen Widdows' Hoffnung, seine wilden Rinder von Chillingham könnten als Beispiel für die BSE-gebeutelten Bauern Großbritanniens dienen. RaSo

Jeremy Rifkin: Das Imperium der Rinder; Frankfurt, New York, Campus Verlag, 1992