Rückfälle gehören zum Alltag

■ Das ergänzende Methadonprogramm für Frauen existiert jetzt fünf Jahre

Als ihr Mann in die Türkei abgeschoben wurde, ist Elif einfach der „Boden unter den Füßen weggerutscht. Da bekam ich wieder einen Rückfall“, erinnert sich die 27jährige. Sie magerte auf 43 Kilo ab, bekam Abzesse von unsterilen Spritzen. Doch dann kam der „erlösende Anruf“: Elif darf in das „Ergänzende Methadonprogramm für Frauen“ (EMP). Das war vor rund zwei Jahren – die Wunden sind verheilt, Elif hat wieder zugenommen und eine Wohnung gefunden.

„Erstmal geht es bei uns ums nackte Überleben“, sagt eine Frau aus dem Team, das seit fünf Jahren das EMP-Programm für Frauen auf die Beine stellt. In diesem Jahr konnten die Ärztinnen und Sozialpädagoginnen ihr erstes Jubiläum feiern – und auch noch ihre neuen Räume in der Löningstraße einweihen, nachdem sie auf Beschluß des Beirates Mitte die Schmidtstraße und damit das szenebelastete Viertel verlassen hatten. Jede Menge Platz haben die Frauen hier: einen Gesprächsraum und eine Wohnküche zum Zusammensitzen und Quatschen. Denn das EMP-Projekt ist mit einem einmaligen Konzept gestartet: Es bietet neben der reinen Methadonvergabe auch Hilfe bei Wohnungssuche, Ämterproblemen und Krisen an.

40 Frauen holen hier täglich ihr Methadon ab – und kommen zum gemeinsamen Frühstück und Reden. Für Männer heißt es: Draußen bleiben. Denn „wir wollen Schutzraum“ für die Frauen sein, die in der Szene die eigentlichen Underdogs sind“, erklärt eine Mitarbeiterin. Das EMP-Projekt war ursprünglich aus dem Nachtangebot für „drogengebrauchende Prostituierte“ in der Schmidtstraße im Viertel entstanden. Die meisten Frauen hier haben angeschafft – und tun es heute noch, wenn sie mal wieder einen „Rückfall“ haben.

„Rückfälle wird es immer geben“, ist sich die 27jährige Elif sicher. Aber das Methadon hat sie stabiler gemacht – „das Heroin schlägt einfach nicht mehr so an.“ 1988 kam sie das erste Mal mit der Droge in Kontakt, sie versuchte mehrmals zu entziehen und wurde schwanger. „Da hatte ich meine Tochter, bekam Methadon und hatte eine Aufgabe“, erinnert sie sich an die Zeit, „aber dann haben sie meinen Mann in die Türkei abgeschoben, und dann war alles wie früher. Das sind Krisen, da kann dir ein Rückfall immer wieder passieren“, sagt sie. Das weiß auch das EMP-Team, doch die Mitarbeiterinnen arbeiten daran, „daß die Frauen Krisen anders angehen“, erklärt Mitarbeiterin Sabine Bitter. „Unser Ziel ist Normalisierung. Die Frauen sollen wieder in ein normales Leben zurückfinden.“

Elif hat jetzt zum Beispiel seit der Methadonsubstitution wieder „Geld, um Klamotten und andere Dinge zu kaufen“, erzählt sie. Und sie ist auch nicht mehr oft „in der Szene“, sagt sie. Wenn es mal schlecht läuft, kommt sie einfach in den EMP-Laden in die Löningstraße, „da sind immer Frauen zum Reden da.“ Und auch die 25jährige Sabine (Name geändert) sagt: „Ich brauche die Frauen hier einfach, ich muß nämlich immer soviel Quatschen.“

Sabine hatte mit 17 Jahren „ihre erste Nadel“. Als sie vor knapp fünf Jahren ins EMP-Programm kam, war auch sie auf 43 Kilo abgemagert. Heute lebt sie damit, daß sie „Rückfälle hat. Wie letzte Nacht, da habe ich wieder angeschafft und viermal Kokain gedrückt. Aber das ist total wenig im Vergleich zu früher“, sagt sie. Sie sei einfach losgezogen, weil sie nicht wußte wohin. Jetzt hofft sie, eine eigene Wohnung zu finden. Und dann? „Wir helfen dabei, daß sich Gesundheit und das Leben stabilisieren“. Doch welche Ziele – womöglich Abstinenz – die „Frauen haben, müssen sie ganz individuell für sich entscheiden“, sagt EMP-Mitarbeiterin Sabine Bitter. kat