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: Die liebestolle Großmutter: Animationsfilme im Babylon

Rund drei Jahrzehnte dauerte es nach der „Erfindung“ des Franzosen Emile Cohl, bis Walt Disney Mitte der 30er Jahre mit „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ den ersten abendfüllenden Cartoon produzierte. Daß der Meister der Mickey Mouse trotz anfänglicher finanzieller Verluste auf der Idee des Animationsfilms in Spielfilmlänge beharrte, machte ihn später unsterblich: Während die gezeichneten Kurzfilme aus dem Kino verschwanden, wurde sein Name zum Synonym für Zeichentrick. Wie sehr sich die Konkurrenz jedoch bereits seit den frühen 30er Jahren an den Kreationen Disneys und seines Mitarbeiters Ub Iwerks orientierte, möchte uns das Filmkunsthaus Babylon zeigen: Unter dem Titel „Imitating Mickey Mouse“ wurde eine Reihe mit Kurzfilmen zusammengestellt, deren Regisseure und Animatoren Stil und Charakterzeichnung der berühmtesten Maus der Filmgeschichte entweder kopierten – oder aber sich über den nicht wegzuleugnenden Hang Disneys zum Kitsch in Parodien lustig machten.

Hug Harman und Rudolf Isinf, die seit 1930 das Cartoonstudio von Warner Bros. aufbauten, lehnten sich mit ihren Serien „Looney Tunes“ und „Merrie Melodies“ ganz offen an die „Silly Symphonies“ von Disney an: Ihre Figur „Foxy“ (in „One More Time“) – obwohl mit buschigem Schwanz und spitzen Ohren als Fuchs ausgewiesen – war ein kaum verhülltes Mickey-Imitat. Daß Harman und Ising den Disney-Stil (auch in den Filmen mit dem undefinierbaren „Bosko“) perfekt beherrschten, konnte indessen kaum verwundern: Von 1922 bis 1928 hatten die Zeichner gemeinsam mit Disney und Iwerks im gleichen Studio gearbeitet.

Nach dem Weggang Harmans und Isings zu MGM setzte sich bei Warner Bros. ein anderer Stil durch: Getragen vom atemberaubenden Tempo, wurden die Cartoons immer parodistischer, respektloser und witziger. Disney geriet zum Feindbild. In „Pigs in Polka“ machte sich Isadore „Friz“ Freleng über die „Three little pigs“ lustig, und Robert Clampetts „Coal Black and de Sebbeb Dwarves“ parodierte natürlich „Schneewittchen“ – mit schwarzen Charakteren und zeitlich in die Gegenwart verlegt (1943, mit allerlei Anspielungen auf den Krieg). Auch Tex Avery mokierte sich in seinem MGM-Cartoon „Red Hot Riding Hoot“ über konventionelle Märchenverfilmungen. Nachdem sich Rotkäppchen und der Wolf über den altbackenen Stoff beschwert haben, wird die Geschichte umgeschrieben. Rotkäppchen taucht als rassige Nachtclubsängerin wieder auf, der Wolf wird von einer liebestollen Großmutter verfolgt.

In seinem zweiten Programm präsentiert das Babylon eine Besonderheit der 30er Jahre: die Umsetzung von populären Jazzschlagern wie Cab Calloways „Minnie the Moocher“ in Zeichentrick. Beide Veranstaltungen werden von dem amerikanischen Filmhistoriker Dennis Nyback eingeführt. Lars Penning

Samstag, 19 und 21.30 Uhr im Babylon-Mitte