Wand & Boden
: Schöner Denken

■ Kunst in Berlin jetzt: Oehlen/Herold, Beck, Emin, Weibel

Zweimal Öl von Oehlen und zweimal Holz (Dachlatten selbstverständlich) von Herold, dazu kommt als Fifth Element ein Plotter-Ausdruck, der den Schlüssel zu den „Neuen Arbeiten“ liefert. Der Ausdruck präsentiert sich in typischer Pixelpark-Ästhetik, ein weibliches Lenin-Model ist darauf auszumachen, eine Spirituosenflasche, ein Auto, definitiv kein Mazda, sowie die Schriftzeilen Georg Herold enamel, stove, polish, Hecawberismen, Albert Oehlen und Max Hetzler 18.4.–23.5.

Computerkunst von Oehlen- Herold, das läuft darauf hinaus, den Computer zu blamieren. Herold tut es gewissermaßen freihändig und ohne die digitale Kiste, indem er die Pixel mit kleinen Holzrechtecken nachbastelt, um sie aneinander zu hängen und die ganze zackige Holzschlange schließlich lässig vor die Wand zu montieren. Oehlen, der ähnliches mit schwarzer Farbe auf weißer Leinwand bewerkstelligt, entwickelt die Muster erst einmal am Bildschirm. Siebgedruckt winden sich dann die Krickelkrakellinien wie auf einem Schnittmusterbogen über die Bildfläche, auf die er weitere Pinselspuren malt. Farbnebel aus der (datenverarbeitenden) Sprühdose setzen die passenden Akzente. „Linienmonster“ nennt Albert Oehlen diese „postungegenständliche“ Malerei. Sie sieht sehr gediegen aus. Vielleicht blamiert der Computer zurück? Das Holz von Herold kommt jedenfalls härter.

Bis 23.5., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Zimmerstraße 89

Computerkunst bei Silvia Beck will keinen der beiden Parts blamieren. Anders als Oehlen fuchtelt sie auch nicht nur mit der Maus auf der Oberfläche herum, sondern programmiert sie. Das sieht dann recht raffiniert aus, wenn der Mauszeiger stehenbleibt, aber der Hintergrund wie ein Film am Betrachter vorbeizieht, in der Vertikalen wie in der Horizontalen. Da kann man in einen blauen Pool springen, um weich auf einem Matratzenbett zu landen.

„Mind Mapping – Ein Projekt (subjektiver) Hirnforschung“ in der Galerie im Parkhaus nimmt die populären Brain-Power-Konzepte beim Wort. Mit einer Datenhelmattrappe versehen, gibt Beck per Video einen Verschnitt von Alan-Turing-Zitaten und „Werden Sie ein Genie“-Anweisungen zum besten, als Anleitung zum „Schöner Denken“. Zuvor überschreitet man die Bodeninstallation „Feld“, dessen Sportplatzgrün über dem schwarzen Kopfpiktogramm schon andeutet, daß mentales Training angesagt ist.

Dem unendlichen Datenfluß des Cyberspace stellt Beck schließlich die ebenso unendliche Assoziationskette ihres eigenen Gehirns und Gedächtnisses entgegen. Wie auf der CD- ROM zu sehen, geben dabei erinnerte Raumfolgen Anlaß zu komplexen Erzählungen. In leeren Räumen wachsen Möbel aus dem Nichts, und wenn sich die Schultafel gelb färbt, tritt man in die Ebene der begrifflichen Abstraktion ein. Schon als unvollendete Baustelle ausgesprochen vielversprechend.

Bis 29.5., Mi.–Sa. 15–19 Uhr, Puschkinallee 5

„Trace your drunk again“: Künstlerpech, besser Künstlerinnenpech. Tracey Emin macht daraus bekanntlich ein Werk, das bei Gebauer nun in drei Stationen zu begutachten ist. Als erstes trifft man auf ein Foto, das in akademischer Manier als Rückenakt bezeichnet würde. Die Londoner Künstlerin hockt auf einer Plastikplane und pinselt an einer weißblauen Leinwand, über die sie schwarze Linien driften läßt wie schweren Zigarrenrauch. Auf ihrer Schulter hat sie ein Skorpiontattoo, und wenn auch das Lamento über Suff, Sex und daraus erfolgenden Kummer, das die nachfolgenden Zeichnungen prägt, keine weibliche Erfindung sind, welcher Künstler könnte dieses biographische Muster schon mit einem so wunderhübschen Körper beglaubigen?

Auf ihren Papierarbeiten sieht sie ihn spirrliger, als er ist. Die Linienzeichnungen, die per Durchdruck auf getrocknete Tinte zustande kommen, haben ein wenig diesen Egon-Schiele- Existenzialismus der weit geöffneten Beine, so als ob hier, wenn nicht der Ursprung der Welt, wie einstmals behauptet, so doch der der Wahrheit zu finden wäre. Das muß man natürlich nicht glauben. Zumal die Schau „Cunt Vernacular“ heißt, was den Wahrheitsanspruch schon mal auf die lokale Ebene (Morgate!) zurückschraubt. Der Reiz von Emins Arbeit liegt – wie im Lebenslauf-Video „C.V.“ zu erkennen – eben darin, daß man ihr ebenso viel strategisches Kalkül (und damit künstlerische und kunstmarktrelevante Überlegung) wie authentische Unterklassenrevolte zutraut.

Bis 23.5., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Torstraße 220

Eine grobgezimmerte Holzrampe durchzieht den Ausstellungsraum im Kontorhaus Mitte, den der Wiener Galerist Hubert Winter angemietet hat. 25 TV-Monitore sind als fortlaufendes Band in die Holzschräge eingelassen. Über ihre Oberfläche flimmern Namen und biographische Daten, die eine Lautsprecherstimme auch draußen auf der Straße hörbar macht. Es sind die Namen von rund 4.000 Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern, die nach dem Anschluß Österreichs 1938 an das nationalsozialistische Deutsche Reich vertrieben wurden. Die Arbeit, die hier in Berlin natürlich auf die hyperpeinliche Mahnmaldebatte zum Holocaust zielt, stammt vom Peter Weibel, Mathematiker, Künstler, Medientheoretiker aus Wien. 1993 hatte er sie unter dem Titel „Vertreibung der Vernunft“ auf der Biennale in Venedig gezeigt. Sie ist, das ist ganz offenbar, nicht weniger aktuell geworden, im Gegenteil. Daß sie, mit ihrem geringen, doch notwendigen Pathos (Rampe) und ihrem sachlichen Vortrag, eine intelligente Arbeit ist, wird heute klarer denn je. Brigitte Werneburg

Bis 24.5., Friedrichstraße 185–190, Do., Fr. 14–19, Sa. 12–17 Uhr