■ Sind Sie den Amerikanern dankbar?
: „Die Erinnerung ist noch nicht verdaut“

Daniela Miklis, 25 Jahre, Schülerin

Vergessen sollte man es nicht, aber ob man jetzt 100 Jahre danach noch dankbar sein muß, weiß ich nicht. Irgendwann muß auch mal Schluß sein. Erstens habe ich zu der Zeit nicht gelebt und kann damit nicht soviel anfangen. Und zweitens, sicherlich will ich daran erinnert werden, aber nicht immer, nicht jeden Tag. Es wird oft im Fernsehen erzählt: Wir müssen so dankbar sein. Das finde ich doof.

Gisela Breitmeyer, 73 Jahre, Rentnerin

Ich gehöre zu dem Jahrgang, der das mitgemacht hat. Ich erinnere mich schon daran. Das war gut für uns. Alle Minute kam ein Flugzeug, die Sachen wurden verteilt. Da kriegten wir endlich mal wieder was Vernünftiges zu essen. Ich bin dankbar gewesen, daß sie das gemacht haben. Es ging uns schlecht. Entschuldigung, daß ich weinen muß, die Erinnerung ist doch noch nicht so richtig verdaut.

Clay Holden, 69 Jahre, Tourist aus den USA

Ein bißchen dankbar sollten die Deutschen vielleicht schon sein. Die Russen hatten Berlin schließlich komplett abgeriegelt, und der einzige Weg, um Nahrung reinzubekommen, war der Luftweg. Ich glaube, die Briten waren ja auch beteiligt. Ich erinnere mich an die Fotos, wie die Flugzeuge Kohle und Nahrung abgeworfen haben. Ich bin stolz, daß wir das damals gemacht haben.

Reinhart Scholz, 49 Jahre, Beamter

Damals war das eine Leistung. Hätten die Amerikaner das nicht gemacht, wäre Berlin gefallen. Aber dankbar bin ich nicht. Ein gutes Verhältnis mit Vorbehalt finde ich wichtig. Gewisse Sachen sollte man kritisch sehen. Die Amerikaner wollen Macht ausüben. Man muß aufpassen, daß der Einfluß auf Deutschland und Europa nicht zu stark wird. Wir sollten einen eigenen Weg gehen.

Marika Hammermüller, 46 Jahre, Sekretärin

Auf jeden Fall sollte man sich daran erinnern. Das ist Geschichte, das ist Historie. Und gerade jetzt nach der Vereinigung finde ich das besonders wichtig. Die Russen haben zugemacht, haben die Leute systematisch ausgehungert, und die Amerikaner haben die Leute vor dem Hunger bewahrt. Wir sollten den Amerikanern dankbar sein. Die Erinnerung sollte bleiben. Auch länger.

Meike Zocher, 21 Jahre, Schülerin

Ich finde, wir sollten noch dankbar sein. Die Amerikaner haben viel getan für uns. Meine Familie kommt zwar aus Westdeutschland und hat die Luftbrücke, die Blockade der Russen, den Hunger der Menschen und so in Berlin nicht miterlebt. Und auch ich habe keine Ahnung davon, wie das früher genau war. Trotzdem finde ich, daß man die Luftbrücke nicht so einfach vergessen sollte.

Umfrage: Christian Haase

Fotos: Wolfgang Borrs