Weniger Arbeitslose bei Protestdemo

■ Nur 700 Demonstranten nahmen am 4. Arbeitslosen-Aktionstag teil. Vier arbeitslose Schwarzfahrer nutzten die „Schwarzfahrversicherung“

Anna, seit fünf Jahren arbeitslos, hatte sich gestern einen schwarzen Müllsack angezogen. Mit zwanzig Gleichgesinnten vom Aktionsbündis für Arbeitslosenproteste erklärte sie Fahrgästen in der U-Bahn, warum sie offensiv schwarzfährt. Die Aktion war Teil des bundesweiten Arbeitslosenprotesttages am 8. Mai.

Das Aktionsbündnis hatte im Vorfeld der Demonstration Arbeitslose aufgerufen, zwischen 10 und 12 Uhr in U- und S-Bahnen schwarzzufahren. Wer von Kontrolleuren erwischt worden war, konnte auf der zwischen Gedächtniskirche und Börse stattfindenden Demonstration nach dem gelben Luftballon des Politikwissenschaftlers Peter Grottian Ausschau halten. Dieser erstattete gegen Quittung das „erhöhte Beförderungsgeld“ zurück. Mit der Schwarzfahrversicherung sollte gegen unsoziale Tarife protestiert werden. Bis zum Ende der Demo meldeten sich vier erwischte Schwarzfahrer.

Doch nicht nur die kostenlose Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln für Geringverdienende gehörten zu den Forderungen der gestrigen Demonstration, zu der etwa 700 Menschen gekommen waren. Der Runde Tisch zur Koordinierung der Berliner Erwerbs- und Arbeitslosenproteste, ein Zusammenschluß von Gewerkschaften, DGB und Arbeitsloseninitiativen tritt auch für ein gesetzliches Mindesteinkommen von 1.500 Mark plus Warmmiete ein.

„Den großen Kuchen umverteilen“ propagierten die Bündnisgrünen mit einer wagenradgroßen Torte, auf der arbeitslose Gummibärchen zum Arbeitsamt stapften.

Trotz beherzter Mobilisierung der Veranstalter waren nicht wesentlich mehr Leute zum Aktionstag gekommen als vor einem Monat. Seit dem Beginn der Proteste im Februar nimmt die Zahl der TeilnehmerInnen in Berlin ab. So tönte es denn auch auf der Abschlußkundgebung aus dem Lautsprecher: „Wir Erwerbslose brauchen einen langen Atem.“

Um mehr Menschen für die Probleme der Arbeitslosen zu sensibilisieren, plädiert Grottian für „radikalere Aktionen“. Die nächste Demo könnte zum Beispiel durch den Grunewald führen, „damit den Menschen dort die Arbeitslosen nicht nur als Statistiken begegnen“. Grottians „Schwarzfahr-versicherung“ rief den CDU-Abgeordneten Jürgen Adler auf den Plan, der „disziplinar- und arbeitsrechtliche Schritte“ gegen den Uni-Professor forderte.

Unterdessen betrug im April die Arbeitslosenquote in Berlin 16,6 Prozent, 280.496 Menschen waren als erwerbslos gemeldet. Damit ist die Arbeitslosigkeit im April deutlicher als sonst in dieser Jahreszeit zurückgegangen. Es seien jedoch erheblich mehr Menschen ohne Arbeit als vor einem Jahr, teilte das Arbeitsamt mit. Wirtschaftssenator Elmar Pieroth (CDU) erklärte: „Die kontinuierliche Verlangsamung des Zuwachses“ von Arbeitslosen sei eine positive Entwicklung. Kirsten Küppers