Analyse
: Ruinierter Ruf

■ UNO-Generalsekretär Kofi Annan ist beim Besuch in Ruanda aufgelaufen

So hatte Kofi Annan sich seinen Ruanda-Besuch nicht vorgestellt. Wütende Proteste von Völkermordüberlebenden, flammende Anklagereden im Parlament, ein von den höchsten ruandischen Politikern boykottiertes Abendessen – der UN-Generalsekretär erlebte die volle Wucht der Emotionen, die in Ruanda heute noch die Politik bestimmen, vier Jahre nach dem von einer UN-Truppe untätig tolerierten Massenmord an über 800.000 Menschen.

Aber daß Annan sich diese Reaktionen, wie er selber zugab, nicht hatte vorstellen können, ist Teil des Problems. In seiner Rede vor dem ruandischen Parlament am Donnerstag sind mehrere Passagen zu finden, die den Vorwurf der Arroganz rechtfertigen, den Parlamentspräsident Joseph Bideri hinterher an den UN-Generalsekretär richtete. „Wir wissen jetzt, daß das, was wir taten, viel zuwenig war, um Ruanda vor sich selbst zu retten“, sagte Annan zur völligen Untätigkeit der 2.500 UN-Blauhelme in Ruanda zu Beginn des Völkermordes, so als habe man es nicht schon damals gewußt und als müsse man Ruanda dafür tadeln, die UNO in eine mißliche Lage gebracht zu haben. Vertrauen in Ruanda könne nicht wiederhergestellt werden „ohne ein Ausmaß an Reue und Vergebung, das wenige Völker jemals in sich selber haben finden müssen“, sagte Annan – der sich selbst immer noch weigert, zu seinen Entscheidungen als Verantwortlicher für Blauhelmeinsätze in der Zeit vor dem Völkermord Stellung zu nehmen, und der entsprechende kritische Journalistenfragen wenige Tage zuvor als „alte Geschichten“ abgetan hatte.

Nun fordert der Verband ruandischer Völkermordüberlebender „Ibuka“ – für den die Haltung der ruandischen Regierung gegenüber Völkermordtätern viel zu gemäßigt ist – Reparationszahlungen von der UNO. Das mag überzogen erscheinen, aber es entspricht der Stimmung im Land, zumal die Völkermordüberlebenden im heutigen „neuen Ruanda“ finanziell ziemlich schlecht wegkommen. Ruandas Regierung steht derzeit unter dreifachem Druck. Einerseits machen die Aktivitäten der neuen Hutu-Rebellengruppen Teile des Landes unregierbar. Zum zweiten drängen radikale Tutsi-Kreise auf einen rücksichtslosen Krieg gegen die Hutu- Gruppen, wogegen sich Vizepräsident Paul Kagame, der mächtigste Mann im Staat, sperrt. Zum dritten ist die Landwirtschaft nach Überschwemmungen und Mißernten in einem desaströsen Zustand; es breitet sich Hunger aus. Organisationen wie die UNO müßten sich langsam überlegen, wie sie den erneuten Kollaps Ruandas verhindern können.

Aber Annan machte jetzt keine konkreten Zusagen außer der, „daß wir an eurer Seite stehen“. Der UN-Generalsekretär hat zwar mit seinem Hinweis recht, daß es an den Ruandern selbst liegt, ihre Gesellschaft wieder zu versöhnen. Aber er weiß vermutlich auch, daß es an der UNO selbst liegt, ihren gründlich ruinierten Ruf im Afrika der Großen Seen wiederherzustellen. Diese Einsicht ging aus seinen Worten in Ruanda allerdings nicht hervor. Das grandiose neue Afrika- Konzept, das Annan rechtzeitig vor seiner Afrika-Tour vorstellte und das viele kluge Ideen über die Wurzeln von Konflikten und das notwendige Umdenken bei der Entwicklungszusammenarbeit beinhaltet, bleibt folgenlos, wenn der UN-Generalsekretär – selbst Afrikaner – nicht in der Lage ist, seinen afrikanischen Gesprächspartnern den Sinn seines Handelns zu vermitteln. Dominic Johnson