Schöner leben
: Arschloch-Tag

■ Oder: Wenn Frauen zuviel fluchen

Eine bunte Vogelschar zwitscherte ein freundliches „Hallo“ durchs offene Fenster in die gute Stube. Die in prächt'ger Schönheit erblühten Tulpen auf dem Frühstückstisch wünschten mir selbstlos einen guten Tag. Und der Wetterfrosch der Hansawelle quakte gar zu lieblich „Heute werden es vierzehn Grad. Die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei weniger als der Wurzel aus 4 zum Quadrat geteilt durch die Anzahl aufrechter Menschen im Vorstand der dahingeschiedenen Vulkan-Werft“ in meine relaxt vor sich hin dösende Hörmuschel. „Ein schöner Tag wird's wohl werden“, brüllte ich darob frohlockend zu meinem treuen Drahtesel, schwang mich voller Elan auf seinen Rücken und ritt hinaus ins frühlingsdurchflutete Weltall.

Eine rote Ampel stoppte meinen verwegenen Ritt vorbei an Bremischen Häusern, und eine junge Maid direkt neben mir – soweit sie als solche unter der Pudelmütze und hinter dem Wollschal zu erkennen war – erregte meine Aufmerksamkeit. „Es war aber schon einmal kälter in Bremen“, flaxte ich spontan und unter Einsatz meiner gesammelten Lachfalten hinüber. Ein Spaß halt, wie man ihn so macht, wenn man einst an die Weltrevolution glaubte und sich mittlerweile hat belehren lassen, daß man, ehe die rote Fahne am Brandenburger Tor flattert, zunächst im Zwischenmenschlichen, so quasi zwischen mir und dir, Frieden und Eierkuchen mehren muß.

Flugs nahm ein in einem Handschuh steckender Zeigefinger der Dame mit hoher Geschwindigkeit Fahrt in Richtung meines brillenglasgeschützten Augapfels auf. „Was willst du denn von mir, du Arschloch?“, rief die Stimme hinter dem Wollschal erbost mir zu. Besser hätte ich es nicht formulieren können. Was wollte ich Arschloch nur von ihr? „Nichts“, beförderten meine vor Schreck verockerten, pupstrocken vibrierenden Stimmbänder am Gaumenzäpfchen vorbei über den Lippenrand. Dennoch vernichtete mich die junge Dame noch kurz mit einem gezielten Ionenstrahl aus ihren blitzenden Augen und setzte kalten Herzens ihre Fahrt fort. Die Ampel war grün geworden.

Als ich nach kurzem Besinnen wieder alle Atome beisammen hatte, nahm ich meinen verstörten Esel wieder zwischen die Schenkel, sprach im beruhigend „Hoh, Brauner“ in die Klingel und nahm die Reise zum nahe gelegenen Arbeitsplatz wieder auf. Nur drei Reifenumdrehungen später, vor den eiserenen Toren der Wallanlagen, kam mir ein unbekanntes weibliches Flugobjekt (UwFO) in Lichtgeschwindigkeit entgegen, nahm mir die Vorfahrt und spruch zu meinem Verdruß in hoher Phonzahl „Paß auf, du Arsch!“ auf mich ein. Immerhin, frohlockte ich, das „-loch“ war mir diesmal erspart geblieben.

Ohne weitere Zwischenfälle erreichte ich die Nadel des Bischofs, trug meinen Braunen hinauf und wendete den Blick ein letztes Mal zurück. „Welt, du arschiges Loch, ich scheiß auf dich. Und auf deine Frauen!“ brodelte es tief in meiner Brust, mächtig drängend nach stimmlicher Verlautbarung. Aber nein, sowas sagt man lieber nicht. Fördert den Frieden in der Welt – und danach strebt letzten Endes doch all unser Tun – doch nicht. Stattdessen überlege ich nun, ob eine Männergruppe der Ort ist, wo meine frauenprovozierende Aura und die mir eigene, offenbar unkontrollierte Neigung, wildfremde Norddeutsche in Wintervollverkleidung einfach so anzusprechen, kuriert werden könnte. zott