Der Maulesel fraß Pfefferminz

■ Nun hat auch Britannien seinen Born. Ein prämierter Regisseur wurde beim Fälschen erwischt

Es war ein sensationeller Dokumentarfilm, den das private britische Independent Television (ITV) 1996 ausstrahlte: „The Connection“, gedreht von Marc de Beaufort, produziert von der Anstalt Carlton, die zum ITV-Verbund gehört, zeigte, wie das kolumbianische Cali-Kartell Heroin nach London schmuggelte und an Kinder verkaufte. Die „Nummer drei“ des mächtigen Kartells interviewte de Beaufort, sein Team war dafür mit verbundenen Augen an einen geheimen Ort gebracht worden. In der Eingangsszene schluckt ein „Maulesel“ – ein Drogenschmuggler – ein Pfund Heroin, um es nach London zu schaffen.

Die Kritiker waren begeistert. „Eine außergewöhnliche Reise in die Welt des Drogenhandels“, schwärmte die „Royal Television Society“ über de Beauforts Film, der in 14 Länder verkauft wurde (Deutschland war noch nicht darunter) und acht Preise gewann.

Ganz andere Kritiken mußte der Filmemacher letzte Woche lesen: „Der TV-Drogen-Fake“, titelte der Guardian und erklärte unter Berufung auf eine sechsmonatige Recherche, alles sei frei erfunden. Der „Maulesel“ war in Wirklichkeit ein Bekannter der Rechercheurin Adriana Quintana, der Heroin-Lieferant sein Freund. Beide haben nichts mit dem Cali- Kartell zu tun und wurden für ihre Rollen bezahlt. Das Heroin, das der „Maulesel“ schluckte: einfache Pfefferminzdrops. Und nicht mal die konnte er nach London schmuggeln. Die Reise fand erst sechs Monate später statt, obwohl es im Film hieß, der Kurier habe nur 36 Stunden, bevor sich die Schutzhülle um das tödliche Heroin im Magen auflöse. Zudem nahmen ihm die englischen Behörden die Rolle als Tourist nicht ab und ließen ihn nicht ins Land.

Als faulen Zauber enttarnte der Guardian ebenso das Interview mit dem drittmächtigsten Mann des Cali-Kartells. Statt an einem geheimen Ort wurde es in de Beauforts Hotelzimmer in Bogota gedreht. Der Drogenboß ist in Wahrheit ein pensionierter Bankangestellter, der nur am Rande mit der Drogenszene zu tun hat. Woher sollten die Drogenkönige auch kommen? Drei der fünf Bosse saßen im Gefängnis, die anderen waren untergetaucht. De Beaufort, ein bekannter Dokumentarfilmer und selbst Halb-Kolumbianer, saß auf dem trockenen, nachdem er Carlton das Thema verkauft hatte.

Der ITV-Anstalt Carlton, die seit 1993 sendet, kam der Film gerade recht. Die Firma steckte in Schwierigkeiten, nachdem die unabhängige Fernsehkommission, die die Lizenzen vergibt, ihr bescheinigt hatte, „oberflächlich“ zu sein. Jetzt droht eine Geldstrafe oder die Kürzung der Lizenzdauer – die Fernsehkommission hat bereits eine Untersuchung eingeleitet. Mit de Beaufort hat nun auch Großbritannien seinen Michael Born – der Fernsehfälscher hatte einst deutschen Redakteuren Schwindel-Beiträge verkauft.

Während der Filmemacher alles abstreitet und sagt, er habe dem Guardian vergeblich ein Interview angeboten, fordern Parlamentarier Konsequenzen, eine Anfrage an die Regierung wurde bereits gerichtet. Und der Ex-BBC-Kriegsreporter und Abgeordnete Martin Bell forderte ein Disziplinarverfahren bei der „Royal Television Society“. Die hatte dem Film zwei Preise verliehen. Ralf Sotscheck