■ Mit der AKW-Entsorgung auf du und du
: Zwangsstiftung

Hannover (taz) – Die Kriegskasse der großen Energieversorger soll einer öffentlichen Kontrolle unterstellt werden, fordern die Bündnisgrünen. Die AKW-Betreiber sollen ihre umstrittenen steuerfreien Rückstellungen für die Stillegung und Entsorgung der Atomkraftwerke in eine „Stiftung zur Verwaltung von Rückstellungen für die Stillegung und den Abbau von Atomanlagen“ einzahlen. Über 54 Milliarden Mark haben die Stromkonzerne derzeit für die Entsorgung in ihren Bilanzen stehen.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf der grünen Bundestagsfraktion stellte deren atompolitische Sprecherin Ursula Schönberger letzte Woche in Bonn vor. In der Gründung einer solchen Entsorgungsstiftung sieht sie „eine Maßnahme gegen Wettbewerbsverzerrung, die auch die Begeisterung für Atomkraftwerke deutlich senken wird“.

Durch die steuerfreien Rückstellungen, die letztlich die Stromkunden finanzieren, sei der Elektrizitätswirtschaft eine enorme Liquiditätsreserve zugewachsen, heißt es in dem bündnisgrünen Gesetzesvorschlag. Bei den großen Stromkonzernen seien die steuerfreien Rückstellungen bereits auf ein Drittel bis die Hälfte der jährlichen Bilanzsumme angewachsen. Aus diesen Entsorgungsmilliarden hätten die Konzerne ihre Ausbreitung in andere Branchen wie Telekommunikation oder Abfallwirtschaft finanziert. Eine eklatante Wettbewerbsverzerrung, findet Schönberger.

Mit einer Stiftung, die die bisherigen Rückstellungen verwaltet, wollen die Bundestagsgrünen sicherstellen, daß die Entsorgungsmilliarden im Bedarfsfall auch tatsächlich für ihren bestimmungsgemäßen Zweck zur Verfügung stehen. Ursula Schönberger erinnerte gestern an den Fall des Thorium-Hochtemperatur-Reaktors THTR in Hamm-Uentrop. Er mußte 1988 nach nur 423 Vollasttagen aufgrund von Sicherheitsmängeln stillgelegt werden. Die Betreibergesellschaft habe seinerzeit vor dem Konkurs gestanden, und der Staat habe erhebliche Mittel für die Stillegung und Entsorgung des Hochtemperaturreaktors aufbringen müssen.

Die Stiftungsmilliarden sollen so angelegt werden, daß sie bei Bedarf kurzfristig für Entsorgung und Abriß von AKWs zur Verfügung stehen. Nach dem Gesetzentwurf sollen neben den künftigen auch alle bereits bestehenden Rückstellungen binnen drei Jahren in das Stiftungsvermögen eingebracht werden. Die Aufsicht über die Entsorgungsstiftung soll ein Stiftungsrat haben, in dem drei Vertreter des Bundestages, vier Vertreter der AKW-Betreiber und zwei der Umweltverbände Sitz und Stimme haben sollen. Jürgen Voges