Netanjahu schaltet auf stur

Der israelische Ministerpräsident läßt das für heute in Washington vorgesehene Gipfeltreffen platzen. Vorerst kein weiterer Teilrückzug aus Palästina  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Die US-Regierung hat das für heute vorgesehene israelisch-palästinensische Gipfeltreffen in Washington abgesagt. US-Unterhändler Dennis Ross hatte das ganze Wochenende über vergeblich versucht, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu zu einer Annahme der US-Vorschläge über einen 13prozentigen Teilrückzug zu bewegen. Er war auf ausdrückliches Ersuchen Netanjahus am Freitag in Israel eingetroffen und mehrfach mit Netanjahu zusammengekommen. Weder Ross noch Netanjahu gaben offizielle Erklärungen zum Inhalt ihrer Gespräche ab. Nach einem Treffen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat in Ramallah erklärte Ross lediglich: „Die Differenzen sind nicht groß, aber sie bestehen weiter.“

Nach dem Londoner Treffen vor einer Woche hatte die US-Regierung beide Parteien nach Washington eingeladen unter der Bedingung, daß zuvor eine Einigung über den zweiten israelischen Teilrückzug gefunden werden müsse. Während die Palästinenser dem US-Vorschlag zugestimmt haben, will Israels Regierung nur einen Rückzug zwischen 9 und 11 Prozent akzeptieren. Bevor Ross gestern in die USA zurückkehrte, traf er mit Israels Präsident Ezer Weizman zusammen. Weizman erklärte danach, jeder, der von einem Fortschritt im Friedensprozeß spreche, sage schlicht die Unwahrheit.

Das vorgesehene Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Bill Clinton, Netanjahu und Arafat soll jetzt eventuell Mitte oder Ende Mai nachgeholt werden. Allerdings sind die Aussichten so vage wie der Termin. Nach Presseberichten waren die Gespräche zwischen Ross und Netanjahu nicht gerade von freundlicher Atmosphäre geprägt. Im israelischen Fernsehen erklärte Netanjahu wiederholt, er werde sich keinem „US- Diktat“ beugen. Er warf der US- Regierung vor, vertragsbrüchig zu sein. „Wir halten das Begleitschreiben von US-Außenminister Warren Christopher in Händen. Danach bestimmt Israel allein über seine Sicherheit und den Umfang des Rückzugs“, sagte Netanjahu unter Verweis auf den Zusatzbrief zum Hebron-Abkommen. „Keine Regierung der Welt wäre so verantwortungslos, den Schutz ihrer Frauen und Kinder preiszugeben“, sagte er in Anspielung auf die israelischen Siedler. Ungewollt bestätigte er damit, welch großes Hindernis die Siedlungen für den Friedensprozeß sind.

Das israelische Armee-Radio berichtete am Samstag, Netanjahu sei zudem „außer sich vor Wut“ über die Äußerung von Hillary Clinton. Die „First Lady“ der USA hatte in einem Satellitengespräch mit israelischen und arabischen Schülern in der Schweiz erklärt, sie halte die Gründung eines palästinensischen Staates für wünschenswert, um Sicherheit und Frieden in der Region zu garantieren. Netanjahus Medienberater David Bar Ilan sagte dazu: „Wir akzeptieren die Erklärung, daß die Bemerkungen von Hillary Clinton ihre Privatmeinung sind, aber der Schaden, den sie in der Region angerichtet haben, ist nicht wiedergutzumachen. Niemand auf der arabischen Seite wird dies als ihre Privatansicht betrachten.“

Der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums verurteilte Netanjahus Haltung scharf: „Wir sehen keinen Sinn darin, Gespräche abzuhalten, um immer wieder einen Mangel an Übereinkunft festzustellen.“ Eine anonyme US-Quelle erklärte gestern gegenüber der Jerusalem Post, die Regierung in Washington könne nicht einmal mehr ausmachen, welche Absichten Netanjahu eigentlich gegenüber dem Friedensprozeß verfolge. Obwohl Netanjahu Mitte der Woche in die USA reist, wird er weder Clinton noch US-Außenministerin Albright treffen. Statt dessen wird er an der Jahreskonferenz der jüdischen Organisationen in den USA sowie an einer New Yorker Gala-Parade zum 50. Jahrestag Israels teilnehmen. Eine gute Gelegenheit, um mit Hilfe der Medien Clinton unter Druck zu setzen.