Wir sind jetzt auch das Volk

■ Volksbegehren: SPD will eigenen Gesetzesentwurf vorlegen. Doch wer stimmt mit?

„Wir müssen zeigen, daß wir das Signal verstanden haben“, sagt der SPD-Abgeordnete und Rechtsanwalt Wolfgang Franz. „Wir haben die Volksgesetzgebung auf den Weg gebracht, aber sie ging den Bürgern nicht weit genug.“ Denn 220.000 HamburgerInnen unterstützten im März das Volksbegehren der Initiative „Mehr Demokratie“. Danach sollen die Hürden für direkte Bürgermitbestimmung abgesenkt werden. Am 27. September wird bei der eigentlichen Abstimmung, dem Volksentscheid, über den Gesetzesvorschlag der Ini abgestimmt.

Die SPD will nun natürlich nicht als Gegnerin von „Mehr Demokratie“ dastehen und hat sich etwas Schlaues einfallen lassen: einen eigenen Gesetzesentwurf, der relativ dicht an dem der Initiative dran ist, sich aber dennoch in wesentlichen Punkten unterscheidet. Gestern abend nahm die SPD-Fraktion den Entwurf wohlwollend zur Kenntnis.

Auch die SPD will nun die Zustimmungsquoren für die ersten beiden Schritte senken: Für die Volksinitiative sind dann nur noch 10.000 Wahlberechtigte nötig (bisher 20.000). „Mehr Demokratie“ verlangt das ebenfalls, allerdings ohne Beschränkung auf Wahlberechtigung. Für das Volksbegehren will die SPD das Quorum von 10 auf 5 Prozent senken. „Mehr Demokratie“ genauso.

Beim Volksentscheid jedoch beharrt die SPD auf einer Mindestbeteiligung: Für ein einfaches Gesetz 25 Prozent „Wahlbeteiligung“ und für eine Verfassungsänderung 50 Prozent. Das entspricht 300.000 beziehungsweise 600.000 Stimmen. „Mehr Demokratie“ will dagegen kein solches Quorum.

Auf der Bezirksebene sollen nach SPD-Willen künftig auch direkte Abstimmungen möglich sein. Allerdings mit höheren Hürden, als „Mehr Demokratie“ sie vorsieht. Außerdem kommt für die Sozialdemokraten nicht in Frage, daß mehrere hundert Unterschriften Entscheidungen der Verwaltung erst einmal blockieren können.

Doch wo bekommt die SPD eine Mehrheit für ihren Entwurf her? Die GAL ist uneingeschränkt für „Mehr Demokratie“ und ließe nur mit sich reden, wenn die Quoren auch für den Volksentscheid gesenkt werden. „Die sind absurd hoch“, so der grüne Verfassungsexperte Martin Schmidt. Nach dem Koalitionsvertrag dürfen Rot und Grün nur miteinander stimmen. Also müßte der Antrag von einzelnen SPD-Abgeordneten wie Wolfgang Franz und nicht der ganzen Fraktion gestellt werden. Man könnte sich an die CDU ranrobben. Doch wer will als Opposition und im Bundestagswahlkampf schon mit der SPD paktieren? „Wir legen uns erst Ende Mai fest“, sagt CDU-Fraktionschef Ole von Beust.

Silke Mertins