Hilfreiche Mitmenschen Von Karl Wegmann

Umzüge sind eine kitzlige Angelegenheit. Man muß sich einfach auf zu viele seiner Mitmenschen verlassen. Kommt der Telefonmann rechtzeitig, nimmt der alte Vermieter die Wohnung so zurück, und dann die ganzen Freunde, die versprochen haben zu helfen, kommen die alle?

Das Wetter spielt schon mal nicht mit, es regnet. Dafür gibt's mit dem Vermieter keinen Streß, und die meisten Helfer erscheinen auch. Erste Probleme tauchen bei der Abfallbeseitigung auf. Gleich um die Ecke stehen vier große Altpapiercontainer — und sie sind immer voll. Viele Unternehmen sparen sich nämlich die Kosten für einen eigenen Container. Sie kommen mitten in der Nacht mit dickem Mercedes samt Anhänger vorgefahren und müllen alles randvoll. Da das längst bekannt ist, kommt es aufs Timing an: Kaum sind die Container geleert, sieht man aus allen Häusern die Mülltrenner strömen. Ruck zuck! sind zwei Tonnen voll, den Rest besorgen die Kriminellen mit Anhänger in der Nacht. Wer den Tag der Abfuhr ein paarmal verpaßt, hat 'ne Menge Papier am Hals. Also ziehen die Stapel mit alten Zeitschriften und Zeitungen mit um. Ein anderes Hindernis ist der fette Nachbar. Der parkt sein zwölf Meter langes Wohnmobil direkt vor dem Umzugshaus. Natürlich wurde er am Abend vorher höflich gefragt ob er nicht... „Selbstverständlich“, war die Antwort.

Jetzt, wo's ernst wird, steht seine dämliche Angeberkiste immer noch da. Sturmklingeln, anrufen, der Nachbar reagiert nicht. Bücherkisten, Kühlschrank, Waschmaschine, alles muß durch eine winzige Lücke zwischen den parkenden Autos, dann durch den fließenden Verkehr auf die andere Straßenseite geschleppt werden. Dort steht der Umzugswagen in einer Einfahrt und muß dauernd bewegt werden, weil andere rein oder raus wollen, derweil regnet es immer noch in Strömen. Dem Wohnmobil werden haßerfüllte Blicke zugeworfen, man murmelt etwas von Reifen aufschlitzen und abfackeln. Mühsam geht es vorwärts. Zum Schluß die Altpapierstapel, die durchnäßt auch nicht leichter sind. Rüber zur neuen Wohnung. Parkplatz kein Problem, aber das Treppenhaus ist zu eng. Das Ledersofa wird am rauhen Flurputz abgeschabt, die Waschmaschine knallt auf eine Granitstufe und halbiert sie. Als alles getan ist und die Helfer ihre erstes Bier in Arbeit haben, muß noch der Umzugswagen zurückgebracht werden. Völlig fertig, patschnaß und verschwitzt, meldet sich danach der Magen: Schnell zur Pommesbude. Zweiter! Nummer eins ist ein kleines, schmales Hemd. Das Hemd sagt gerade zum Verkäufer: „Zigeunerwurst ist rassistisch!“ Der Pommesmann blinzelt und meint: „Zigeunerwurst deutsch. Deutsch gut!“ „Nein, nein“, sagt das Hemd, „korrekt muß es heißen ,Sinti und Roma und angrenzende Stämme‘.“ „Ich nix Roma, ich Izmir“, der Verkäufer läßt sich nichts gefallen. Der hungrige Umzieher befingerte das Teppichbodenmesser in meiner Hosentasche. Fühlt sich gut an. Er könnte dem Hemd doch DOOF in den Holzkopf schnitzen, überlegt er. Statt dessen ruft er: „Eine Zigeunerwurst und einen Karton Negerküsse!“ Das pc-Hemd dreht sich um...

Die Verstümmelung fand dann doch nicht statt. Aber in dieser Nacht ging irgendwo in der Stadt ein Wohnmobil in Flammen auf.