■ Grüne und Anti-Atom-Initiativen streiten über Atomausstieg
: Eine Partei ist keine Wunschfee

Die Grüne Partei und die Aktiven gegen die Atomenergie haben sich am Wochenende in Frankfurt getroffen und sind im Streit auseinandergegangen. Die Anti-Atom-Initiativen drohten den Grünen gar an, den Widerstand gegen sie zu organisieren. Grund für den Ärger: Das Ausstiegsszenario der Bündnisgrünen will selbst im Fall eines rot-grünen Atomministers in Bonn den AKWs im Lande nicht sofort an den Kragen. Für die neuesten Reaktortypen sind sogar Restlaufzeiten von zwei Legislaturperioden für die neueren AKWs im Gespräch. Das bringt die Initiativen auf die Palme.

Nun wären Ärger und Aufruhr bei den Atomgegnern kein Problem – wenn er denn weitestgehend funktional gemeint wäre. Die Initiativen vor Ort könnten den großen Knüppel schwingen und die offizielle Anti-Atom-Partei mit Rückenwind in etwaige Koalitionsverhandlungen mit den Sozis in Bonn schicken. Eine Partei ist schließlich keine Wunschfee, sondern ein Haufen von im besten Fall gewieften Taktikern und Schacherern. Doch soweit aus der „Bewegung“ zu hören ist, sind die Wendländer und andere BIs wirklich enttäuscht von den Grünen. Wenn sich die Atomgegner aber durch eine Spaltung in Partei sowie Aktivisten vor Ort selber schwächen, dann ist klar, was bei den nächsten Koalitionsverhandlungen herauskommen wird: wenig bis nichts. Schließlich wären die Bündnisgrünen nur der kleinere Partner der Schröder-SPD.

Es ist natürlich harter Tobak, den Reaktorbetreibern jahrelange Übergangsfristen vor allem für die neueren Anlagen einzuräumen. In dieser Zeit entsteht schließlich ständig neuer Atommüll, der dann nach derzeitigem Stand der Dinge auch noch in Ahaus oder dem Wendland zwischengelagert werden müßte – vom Endlagern ganz zu schweigen. Doch wie sähe die Alternative des Sofortausstiegs aus: Selbst wenn die Atomindustrie ein solches Ausstiegsgesetz nicht sofort per einstweilige Verfügung stoppen könnte, wäre ihr Schadenersatz in Milliardenhöhe gewiß. Eine SPD, die trotz dieser juristischen Sachlage den Sofortausstieg in einer Koalition mit durchzieht, müßte erst noch erfunden werden. Wahrscheinlich würde dann ein Ausstiegsgesetz eher auf die lange Bank geschoben. Und damit wäre vor allem der Atomlobby gedient. Denn in dieser Zeit laufen alle AKWs weiter – egal ob neu oder alt. Und wenn dann in vier oder acht Jahren die Bundesregierung wieder wechselt, hätten sie die Bündnisgrünen gut überstanden. Reiner Metzger