Organisierter Wahlbetrug in Paraguay

Die Auszählung der Stimmen wurde ausgesetzt. Presseberichten zufolge soll die regierende Colorado-Partei deutlich vor dem Oppositionsbündnis liegen. Demonstrationen für inhaftierten Putschistenführer Lino Oviedo  ■ Von Ingo Malcher

Buenos Aires (taz) – Wegen eines organisierten Wahlbetrugs bei den Präsidentschaftswahlen in Paraguay setzte der Wahlleiter in der Nacht vom Sonntag auf Montag die Verkündigung der Ergebnisse vorerst aus. Achtzig Prozent der über tausend Faxe, mit denen die Wahlergebnisse aus den Provinzen in die Hauptstadt übermittelt wurden, seien gefälscht, lautete die Begründung des obersten Wahlgerichts für die ungewöhnliche Entscheidung. Darauf seien die Stimmen für den Kandidaten der regierenden Colorado-Partei, Raúl Cubas, nach oben gemogelt worden.

Umfragen in den Wahllokalen haben bislang Cubas als Sieger der Parlamentswahlen ausgemacht. Die in der Hauptstadt Asunción erscheinende Tageszeitung ABC- Color errechnete zwischen Cubas und seinem Herausforderer, Domingo Laino von der oppositionellen Alianza, sogar zehn Prozent Vorsprung. Paraguayische Fernsehsender sehen den Bauunternehmer und Hobbyrallyefahrer Cubas zwischen fünf und sieben Prozent vor Laino.

Cubas war eigentlich die Nummer zwei der Colorado-Partei. Ursprünglich wurden die Colorados von dem ehemaligen General Lino Oviedo angeführt, der auf einem Parteitag als Präsidentschaftskandidat gekürt wurde. Allerdings geschah dies sehr zum Leidwesen des scheidenden Präsidenten Carlos Wasmosy. Ihm war es ein Herzensanliegen, Oviedo aus dem Verkehr zu ziehen, und so versuchte er über Monate hinweg alles, um die Kandidatur Oviedos zu verhindern. Schließlich verurteilte ein Gericht in der Hauptstadt Asunción Oviedo zu zehn Jahren Gefängnis wegen seines Putschversuchs im Jahr 1996. Wasmosy, dem die Verfassung eine zweite Amtszeit verbietet, konnte aufatmen, und bei den Colorados rutschte Cubas auf den Spitzenplatz. Er ist ein enger Vertrauter Oviedos und hat im Wahlkampf mehrfach angekündigt, Oviedo freilassen zu wollen, falls er zum Präsidenten gewählt werden sollte.

Die Alianza verstand es dennoch nicht, aus dem Durcheinander bei den Colorados Profit zu schlagen. Ihr Kandidat Laino verkaufte sich schlecht, und die Wahlkampagne schloß das Oppositionsbündnis einige Tage vor dem offiziellen Ende, als die Colorados noch immer heftige Reden schmetterten.

Seit 51 Jahren sind die Colorados in Paraguay an der Macht. Wählerisch waren sie in ihren Regierungsformen nie. Ob unter dem blutigen Diktator Alfredo Stroessner (1954–1989) oder mit dem gewählten Carlos Wasmosy, sie verstanden es stets, ihre Macht zu erhalten. Wahlfälschungen und willkürliche Verhaftungen zählten zum Alltag des Regimes von Stroessner. Cubas erklärte sich noch vor Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse zum Sieger der Wahlen. „Wir haben fünf Jahre Arbeit vor uns“, beteuerte er bereits am Wahlabend.

In Paraguay dominiert der informelle Sektor die Wirtschaft, die Handelsbilanz verschlechtert sich von Jahr zu Jahr, was sich auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung niederschlägt. Gerade einmal 35 Prozent der Paraguayer haben Zugang zu Trinkwasser.

Raúl Cubas ist der Sohn des Stroessner-Vertrauten Emilio Cubas, der sich in den siebziger Jahren, als Chef des skandalgebeutelten Instituts für Sozialfürsorge, ein dickes Vermögen unter den Nagel reißen konnte. Das Anwesen Cubas' in einem Nobelviertel von Asunción wird auf gut sechs Millionen Dollar geschätzt.

Cubas war der Besitzer der Elektroenergiefirma CIE, die die Maschinen und Besatzung für das weltgrößte Staukraftwerk, Itaipu im Dreiländereck Argentinien, Brasilien und Paraguay, bereitstellt. CIE ging 1980 in die Hände des scheidenden Präsidenten Wasmosy über. Cubas und Wasmosy werden von der Opposition auch als die „Barone von Itaipu“ verspottet, da sie Unsummen mit dem Kraftwerk verdienten.

Doch der eigentliche Gewinner der Wahl stand schon vor Schließung der Wahllokale fest. Sein Name: Lino Oviedo. Im Falle einer Wahlniederlage hätte er sich vom Gefängnis aus brüsten können und sagen, die Colorados haben nach einem halben Jahrhundert die Macht abgeben müssen, weil er sie nicht mehr anführt. Und im Falle eines Sieges, wie jetzt geschehen, darf er hoffen, bald wieder aus dem Knast zu kommen. Noch in der Wahlnacht zogen seine Anhänger vor das Gefängnis, um seine Freiheit zu fordern. Seine Frau Raquel Marin wertete den Sieg der Colorados als einen Sieg Oviedos. „Das Volk hat den gewählt, den Oviedo gewählt hat. Das ist ein Sieg von Lino Oviedo und des paraguayischen Volkes“, freute sie sich.