Die Topmanager finden Schröder interessant

■ Wie der SPD-Kanzlerkandidat mit Wirtschaftsführern diskutierte und dabei Punkte machte

Köln (taz) – Diskussionsveranstaltung in Köln mit der SPD. Mit Schröder, Clement, Wirtschaftsführern. Klartext heißt die Veranstaltungsreihe. Der Moderator setzt auf Konsens. „Sie scheinen ja mit dem Wahlprogramm der SPD weitgehend übereinzustimmen“, sagt er nach dem Statement von Fritz Vahrenholt, Vorstandsmitglied der Deutschen Shell. Ein Zuhörer kommentiert: Die SPD hat in den letzten 20 Jahren das Gegenteil von dem getan, was Vahrenholt gesagt hat.

Aber die zwanzig Jahre sind eben vorbei. Jetzt ist Gerhard Schröder der Kanzlerkandidat der SPD. Und Parteichef Oskar Lafontaine ist an diesem Tag nicht da. „Dem hätten vielleicht die Ohren geklungen“, sagt ein Genosse. Aber Schröder ist ja da. Und der designierte nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Der bezeichnet das Wahlprogramm als das „Beste, was die SPD je vor Wahlen zu bieten hatte“. Und damit ist vor allem die Ausrichtung der SPD auf einen wirtschaftsnahen Kurs gemeint. Die Veranstaltung steht nicht umsonst unter dem Motto „Innovation – Wirtschaft – Umwelt“.

Aber sorgt das schon für Übereinstimmung zwischen den Wirtschaftsführern und der SPD? Vahrenholdt ist der Meinung, der Umweltschutz sei in den letzten Jahren weit genug vorangekommen. Es breche das Jahrtausend der Techniker, Ingenieure und Chemiker an. Gentechnik sei unabdingbar. Auf Kernkraft solle auf keinen Fall verzichtet werden. Ökosteuern seien schädlich, wenn sie nicht europaweit harmonisiert würden. Übereinstimmung mit der SPD?

Gerhard Schröder versucht's. Umweltschutz sei zu bürokratisch geworden, sagt der Kanzlerkandidat der SPD. Das Kosten-Nutzen- Verhältnis beim Umweltschutz stimme nicht immer. Es sei häufig sinnvoller, die Industrie entscheiden zu lassen, was umweltpolitisch am sinnvollsten sei. Die Frage etwa, ob Müll am umweltverträglichsten zu deponieren oder zu verbrennen sei, könnten diejenigen am besten beantworten, die über das notwendige Know-how verfügten – die Industrie. Die Politik, sagt Schröder, „hat Ansprüche formuliert, die überzogen sind“.

Zur Kernkraft sagt der Kanzlerkandidat der SPD, er halte sie für eine Übergangstechnologie. Aber bevor sie abgeschafft werde, müsse klar sein, ab wann und wie sie ersetzt werden kann. Deshalb sei er froh, daß im Wahlprogramm das exakte Datum des Ausstiegs aus der Kernkraft nicht genannt sei.

Damit können die Gäste aus der Wirtschaft leben. Insbesondere die Chefs von Siemens und Porsche, Heinrich von Pierer und Wendelin Wiedeking, gehen nett mit Gerhard Schröder um. „Vieles von dem, was Herr Schröder und Herr Clement sagen, finde ich ausgesprochen interessant“, sagt Wiedekind. Es ist kein Zufall, daß Lafontaine nicht genannt wird. Mit Schröder, heißt es in Wirtschaftskreisen, können wir leben. Aber voller Sorge fragt man sich: Wird sich Schröder mit seinen Vorstellungen gegen Parteichef Oskar Lafontaine durchsetzen können? Wiedeking sagt, die SPD mache es sich zu leicht, wenn sie die Reformen der Koalition wie Rentenreform und Einschränkung der Lohnfortzahlung rückgängig machen wolle.

Aber Schröder weiß, wie er die Wirtschaftschefs packen kann. Er führt seine 85jährige Mutter an, die von ihrer geringen Rente allein kaum leben könne, und spricht von Gerechtigkeit und Solidarität. Zugleich räumt er ein, daß die Eigenvorsorge größeres Gewicht bekommen müsse. Zur Lohnfortzahlung sagt er, ein gut geführtes Unternehmen arbeite doch wohl besser mit Überzeugung als dem Druck von Lohnkürzungen. Da antwortet Wiedeking: „Grundsätzlich haben Sie ja recht.“ Markus Franz