Umweltschützer fordern grünes Reinheitsgebot

■ Die Grünen können es keinem recht machen: Vielen Wählern waren fünf Mark fürs Benzin zu radikal. Kaum rudert die Partei zurück, ist sie den Ökoverbänden nicht mehr radikal genug. Auch der geplante Atomausstieg in acht Jahren ist ihnen zu lasch

Bonn/Frankfurt (taz) – Die Bündnisgrünen sitzen in der Zwickmühle. Die Bemühungen der Partei um Imagepflege, mit denen sie verlorene Sympathien bei möglichst breiten Bevölkerungsschichten zurückgewinnen wollen, schaden ihr jetzt bei traditionellen Verbündeten und Stammwählern. Die Vorstellung der Partei, in einer rot-grünen Bundesregierung erst nach acht Jahren die letzten Atomkraftwerke abzuschalten, stieß bei Umweltverbänden und Bürgerinitiativen auf heftige Kritik. Der Versuch, den umstrittenen Benzinpreisbeschluß zu entschärfen, löste beim Umweltverband BUND Protest aus. Er sieht die Glaubwürdigkeit der Grünen gefährdet. Im Kurzprogramm der Grünen für die Bundestagswahlen soll das Ziel eines Fünf-Mark-Spritpreises nicht mehr erwähnt werden. Darin stimmten Mitglieder von Bundesvorstand, Fraktion und Landesvertretern überein. Das Kurzprogramm sollte gestern abend in Bonn abschließend beraten werden.

Schon zuvor trafen sich gestern in Bonn BUND-Vertreter mit Jürgen Trittin wegen der Benzinpreisdebatte. Es habe „in vielen Punkten hohe Übereinstimmung, gerade beim Thema Ökosteuer“, gegeben, erklärte der bündnisgrüne Vorstandssprecher danach. Die Meinung der Umweltverbände werde auch bei möglichen Koalitionsverhandlungen nach den Wahlen eine wichtige Rolle spielen. Trotz der freundlichen Worte läßt ein „Thesenpapier“ des Umweltverbandes auf tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten schließen. Darin macht Peter Westenberger, beim BUND zuständig für Verkehrspolitik, keinen Hehl aus seiner Verärgerung über den Verlauf der Benzinpreisdebatte. Die Forderung nach einem Benzinpreis von fünf Mark pro Liter sei „in der Sache richtig und notwendig“. Die „zahlreichen Forderungen nach Rücknahme“, die ihm „häufig Panikreaktionen“ zu sein scheinen, „nahmen den Atem, die Chancen des Konzepts, die Parallelen zu Forderungen von anderen Seiten und schließlich die Glaubwürdigkeit des eigenen Politikkonzepts darzustellen“.

Besonders ärgerlich findet der BUND- Experte die grüne Zusicherung, mit dem Dreiliterauto werde Autofahren insgesamt nicht teurer. Sie widerspricht in seinen Augen der Zielrichtung des Konzepts der ökologischen Steuerreform. Höhere Nutzerpreise sollten ja gerade „ihren Teil zum Umstieg auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel leisten“.

Der Verlauf der Benzinpreisdebatte hat, so Westenberger, „natürlich auch den Umweltverbänden“ geschadet. Er sieht „Tendenzen“, daß Grüne die Diktion von Gegnern der ökologischen Steuerreform übernehmen. Dieses Verhalten rüttele an der Glaubwürdigkeit der Partei und schädige die langfristigen Erfolgsaussichten. „Der BUND bittet um eine konzertierte Aktion innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen, um die ,ökologische Steuerreform‘ in der öffentlichen Meinung nicht weiter zu diskreditieren.“ Die Vorstellung der Grünen, bei einer Regierungsbeteiligung nicht sofort aus der Atomenergie auszusteigen, führte bei einem internen Treffen am Sonntag in Frankfurt/Main zu heftigen Protesten von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen. Sie krisierten, daß ein als Grundlage für Koalitionsverhandlungen mit der SPD geplantes Atomausstiegsgesetz den endgültigen Ausstieg erst in zwei Legislaturperioden vorsieht. Für die meisten Bürgerinitiativen wie auch für den Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) ist das nicht akzeptabel. Mehrheitlich verlangten sie bei dem Strategiegespräch mit den Grünen den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie. Den „Kampf gegen die Bündnisgrünen organisieren“ wollen vor allem Gruppen aus Gorleben und Ahaus. Sie befürchten, daß auch eine rot-grüne Bundesregierung die Zwischenlager weiterbetreiben könnte. Da die Bündnisgrünen ein Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente im Ausland verlangen, ist die Schaffung von Zwischen- und Endlagern zwingend. Vor der Nennung von Standorten schreckten die Bündnisgrünen bislang allerdings zurück.

Bettina Gaus, Klaus-Peter Klingelschmitt

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