Ein Herz für Bikes

■ Patrick Kundmüller ist der Fahrrad-Doctor, Bremens erster mobiler Fahrradreparaturdienst / Rund um die Uhr im Dienst

Wer kennt das Problem nicht: Da liegt man nächtens im zerwühlten Bettlaken, wirft sich von einem Kopfkissen auf das andere, fürchterlich gemartert von der einen bohrenden Frage: Schimano-Zehngangschaltung oder doch der Dreigangknüppel von Sachs? Bisher war man mit diesen existentiellen Problemen, zumindest um diese Uhrzeit, ziemlich allein. Nicht einmal die Telefonseelsorge wollte einen ernstnehmen. Und wer schon einmal nach einer derartigen ergebnislos verbrachten Nacht durch verquollene Augen sein dramatisch gealtertes, sorgenzerfurchtes Antlitz im Badezimmerspiegel betrachten mußte, der wird Patrick Kundmüller spontan ins Herz schließen. Denn Patrick Kundmüller ist Bremens erster mobiler Fahrrad-Doctor – mithin ein Mensch, den man rund um die Uhr anrufen und um die Lösung aller Probleme rund ums Fahrrad anflehen kann. Egal wann, wo und warum er angerufen wird: Kundmüller kommt und hilft.

Selbst für einen mitternächtlichen Seelsorgereinsatz nimmt Kundmüller vorerst keine speziellen Nachttarife. „Ich gehe aber davon aus, daß es nicht so oft vorkommt, daß jemand mitten in der Nacht z. B. eine Beratung über Goretexjacken braucht“, verdrängt der 27jährige mögliche Schattenseiten seines neuen Berufs. Ein notorischer Optimist also, der zunächst ein halbes Jahr lang testen will, wie oft er aus dem Schlaf gerissen wird. Bei chronischer Übernächtigung oder massiver Beschäftigungslosigkeit wird Kundmüller gegebenenfalls überdenken, ob er seinen neuen Job nicht besser wieder an den Nagel hängt.

Doch ehe es soweit kommt, will er lieber als Fahrrad-Doctor literweise Vulkanisationsmittel unter die Fahrradmäntel sprühen. Kaputte Lichtanlagen, Plattfüße und defekte Bremszüge werden Kundmüllers kleinen Kosmos über die Sommermonate bevölkern und ihm, wenn es gut läuft und genügend Leute ihren Drahtesel durch Scherbenhaufen steuern, problemlos über den Winter bringen. Denn wenn nur noch die Wagemutigsten im Schneematsch den Fahrradweg suchen, schließt der Doctor, der seinen Rettungskoffer natürlich auf dem Fahrrad transportiert, die Praxis. „Im Winter fahren nur die Härtesten Rad. Und die reparieren das bei Bedarf in der Regel selbst.“

Patrick Kundmüller will in dieser arbeitsfreien Zeit seine im Sommer erworbenen Reichtümer – sollte er die anvisierten zwei bis drei KundInnen am Tag haben – bei einer Fahrradtour durch Lateinamerika verbraten. Eine gute Gelegenheit, seine Eltern zu besuchen, die vor Jahrzehnten nach Paraguay ausgewandert sind und sich dort als Landwirte verdingen. 1990 ist Kundmüller, der in Franken geboren wurde, allein nach Deutschland zurückgekehrt. Eine Außenhandelskaufmannslehre und diverse Gelegenheitsjobs hat er seitdem durchlaufen, ehe ihn ein Zeitungsbericht über einen „Doctor Bike“ in Berlin darauf brachte, in Bremen diesen neuen Berufszweig zu etablieren. Erste Versuche, über die „Tauschwatt"-Börse seinen Service gegen Tiden anzubieten, verliefen so erfolgreich, daß er sich nun selbständig gemacht hat.

Zwischen zehn und dreißig Mark nimmt Kundmüller je nach Entfernung für die Anfahrt. Hinzu kommt ein Stundenlohn, der etwas unter dem in Fahrradgeschäften üblichen Preis liegt. Nichtsdestotrotz kein billiger Service. Aber wer sich schon einmal für einen Augenblick in den dunklen Keller verabschiedet hat, um mal eben das Loch im Hinterreifen des supermodernen High-Tech-Rades zu flicken, aber erst zwei Tage später kettenölverschmiert und lebensüberdrüssig wieder ans Tageslicht gekrochen ist, der wird Patrick Kundmüller wie einen Heiland zu verehren wissen. zott

Der Fahrrad-Doctor ist unter den Nummern 24 49 79 4 oder 01 77 / 56 99 79 4 zu erreichen.