Die Hausmeister mögen es handfest

■ Schulhausmeister, die letzten Malocher, treffen sich zu ihrem ersten bundesweiten Kongreß: "Früher gab es noch Zucht und Ordnung". Bei Diet-Coke und Würstchen diskutieren sie über "gewaltfreie Konfliktsch

„Bei mir fangen auch Lehrer an zu weinen“, sagt Herrman Beutz. „Wenn Sie nicht mal lauter werden, hört ja niemand.“ Doch auch in normaler Lautstärke ist der Baß von Hausmeister Beutz aus Ratingen nur schwer zu überhören. „Früher hat noch Zucht und Ordnung geherrscht“, sagt er. „Da haben die Lehrer nicht ständig die Klassenräume offengelassen.“ Zusammen mit 157 anderen Hausmeistern aus Städten wie etwa Bottrop, Chemnitz und Saarbrücken ist er zum ersten bundesweiten Hausmeisterkongreß nach Berlin gereist. Drei Tage lang will die Gewerkschaft ÖTV über das Berufsbild, Löhne und Arbeitszeiten diskutieren.

In der Kongreßhalle am Alexanderplatz sitzen 157 Männer in kurzärmligen Hemden, mit Goldkettchen und Bauchansatz in Reih und Glied hinter kleinen Holztischen. Landesschulrat Hans-Jürgen Pokal fragt in die Menge: „Was nützen die schönsten pädagogischen Konzepte, wenn es in der Schule aussieht wie im Saustall?“ Applaus, Fußgetrappel, Beutz ruft: „Genau, recht hat er.“ Pokal legt nach: Hausmeister seien ehrlicher mit den Kindern als Lehrer, sie könnten zupacken und würden mit gesundem Menschenverstand auch mal Streit schlichten. Pokal spielt die Proletarier-Klaviatur. Und das kommt an bei den 157 schwitzenden Männern in der Kongreßhalle. Denn sie alle haben „anständige Berufe“ gelernt: Elektriker, Rohrleger, Monteur.

Aus dem Ruhrgebiet und dem Saarland sind ehemalige Stahl- und Bergarbeiter dabei. Gerhard Frenzel aus dem Wedding zum Beispiel war früher Tischler. Sein Tag endet erst um 22 Uhr nach dem letzten Elternabend. „Und natürlich vergessen die ooch immer, dit Licht auszumachen“, sagt er. Auch am Wochenende muß er die Turnhalle für die Sportvereine aufschließen. Da kommen schnell mehr als 50 Stunden Arbeitszeit zusammen. „Und dazu muß ick noch Bereitschaft schieben.“ Die ÖTV will, daß die Arbeitszeiten klarer geregelt werden. Auch seine Frau beschwere sich ständig, so Frenzel. „Aber Mädel, sach ich ihr dann immer, dat ham wir uns doch so ausjesucht.“

Auch Hausmeister Beutz aus Ratingen muß rund um die Uhr für die Schule da sein. Wenn er von „seiner Schule“ spricht, rückt er sich die Goldrandbrille zurecht und steht ein wenig aufrechter da. Beutz ist stolz, als Monteur das Zupacken gelernt zu haben. „Wenn es mal eine Klopperei gibt, machen die Lehrer doch gleich die Biege“, erzählt er. „Ich habe mal ein paar Bengels mit dem Stuhlbein Prügel angedroht“, sagt er. „So macht man das.“ Und weil viele Kollegen das „so machen“, bietet die ÖTV inzwischen Kurse zur „gewaltfreien Konfliktschlichtung“ an.

Neben den Fortbildungen in Konfliktmanagement stehen auch solche in „Gebäudemanagement“ auf dem Forderungskatalog der Hausmeisterkonferenz. Denn seit die Kommunen ihre Strukturen reformieren, um Kosten zu sparen, müssen die Hausmeister mehr und mehr Verwaltungsaufgaben übernehmen. „Früher hat das Bauamt die Aufträge für größere Reparaturen vergeben. Heute muß der Hausmeister die Firmen betreuen“, sagt Thomas Schwarz von der ÖTV-Hauptverwaltung in Stuttgart. Wegen der neuen Anforderungen fordert Schwarz auch eine neue Lohneinstufung und Berufsbezeichnung. Schwarz: „Der Hausmeister von heute ist kein Arbeiter mehr, sondern Gebäudemanager.“

Bei der ÖTV haben die Schulhausmeister eine gute Lobby. „Die haben die ganze Gewerkschaftsdisziplin aus der Stahlindustrie mitgebracht und sind bestens organisiert“, sagt Schwarz. Allein im Ruhrgebiet sind 97 Prozent aller Hausmeister Gewerkschaftsmitglieder. Spenden für die Gewerkschaftskasse kommen da schnell zusammen. Im Vorraum der Kongreßhalle verkauft Gerhard Frenzel im Karo-Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln Tassen und T-Shirts zum „Soli-Preis“ von zehn Mark. Nach einer Stunde sind die Tassen ausverkauft.

Am Stand nebenan hat Schwarz im feinen weißen Hemd ein Laptop aufgebaut, um zu zeigen, wie man moderne Heizkurven berechnet. Die Technikshow stößt allerdings auf wenig Interesse, genausowenig wie die kleinen Wiener Würstchen und die Diet-Coke, die die ÖTV für die zukünftigen „Gebäudemanager“ angekarrt hat. Schulhausmeister mögen es handfester. „In zwei Stunden ist Dampferfahrt“, ruft Malte Michaelis, 47, aus Berlin einem Kollegen zu. „Komm Dieter, da gehen wir vorher noch 'nen Steak ziehen und richtig einen zischen.“ Christian Haase