■ Zum Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsinstitute
: Konjunktur ist kein Wahlkampfhelfer

Die Wirtschaftsinstitute hatten ihr Frühjahrsgutachten noch nicht richtig aus der Tasche geholt, da beeilte sich Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt schon, seine Lesart unters Volk zu bringen. „Wir haben alles richtig und gut gemacht“, trompetete er. Und weil Angriff die beste Verteidigung ist, schickte er gleich noch ein paar Forderungen hinterher: Jetzt seien die anderen gefragt, die Regierung habe ihre Schuldigkeit beim Wiederanstoßen der Konjunktur getan.

Lange wird er sich mit dieser Taktik wohl nicht aus der Affäre ziehen können. Denn als Wahlkampfhelfer und erhoffter Ersatz für den ausgefallenen Euro- Macher-Bonus taugt die Konjunktur jedenfalls nicht. Nicht einmal, wenn man Rexrodts allgemeinem Blick auf das große Gesamte folgt: Die Arbeitslosigkeit bleibt unverändert hoch, das Wachstum fällt sogar hinter die eigenen Erwartungen der Forscher zurück.

Richtig ins Schwitzen kommen dürfte die Bundesregierung jedoch, wenn sie erklären wollte, wieso der Osten dem Westen nicht nur immer noch hinterherhinkt, sondern sogar noch weiter zurückgefallen ist. Diesmal kann sie nicht einmal auf das in den vergangenen Jahren gerne praktizierte Verwirrspiel zurückgreifen: Daß drei Prozent Wirtschaftswachstum im Osten wie 1996 absolut keinesfalls mehr sein müssen als ein Prozent im Westen, wenn die Ausgangsvoraussetzungen auf der einen Seite eine deindustrialisierte Brachenlandschaft und auf der anderen eine sich für die Globalisierung fit machende funktionierende Wirtschaft ist, war leicht zu verschleiern gewesen.

Daß 1,9 Prozent des niedrigeren Ostniveaus 1998 auf jeden Fall weniger sind als 2,7 Prozent des Westniveaus, ist kaum schönzureden. Bei der Arbeitslosenzahl ist bis zur Wahl ohnehin nichts mehr zu retten, schließlich ist im Osten ein Drittel der Arbeit verloren gegangen. Und Unternehmen, die neu investieren, kommen mit dem modernsten Know-how und benötigen kaum noch Beschäftigte.

Ohne staatliches Eingreifen bekommt man die Erwerbslosenquoten wohl in den nächsten Jahren nicht auf das Westmaß gesenkt. Jedenfalls nicht mit seriösen Methoden. Dann bleibt der Bundesregierung nur der Trick, den sie in den vergangenen Monaten schon erfolgreich ausprobiert hat: kurzfristig wieder mehr Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zuzulassen, die die Nürnberger Statistik ganz schnell bereinigen. Sie müssen ja nur bis zum Oktober dauern. Beate Willms