Vorwurf: Untreue

■ Im zweiten Anlauf begann in Potsdam der Prozeß gegen Brandenburger Ex-Staatssekretär Detlef Affeld. Verteidigung beantragt Einstellung

Potsdam (taz) – Detlef Affeld war gestern der ruhende Pool im kleinen Sitzungssaal des Potsdamer Landgerichts. Nervös waren andere: die junge Rechtsanwältin, die Einstellung des Verfahrens forderte, und die unsicheren Ersatzschöffen, die immer noch nicht wissen, ob sie sich umsonst in den Fall eingearbeitet haben. Der Fall heißt „Strafsache Affeld und andere“. Aber Detlef Affeld, ehemaliger Staatssekretär im brandenburgischen Sozialministerium, wirkte nicht wie ein Angeklagter. Zurückgelehnt, in der rechten Hand mit den Bügeln seiner Brille spielend, blickte Affeld gelassen auf eine Richterin und zwei Richter der Wirtschaftstrafkammer, die wohl kaum älter als seine Kinder sind.

Dabei hätte Affeld allen Grund, nervös zu sein. Ihm wird vorgeworfen, zwischen 1992 und 1994 gemeinsam mit drei Spitzenbeamten und dem Geschäftsführer eines privaten Gesundheitsinstituts überschüssige Subventionen auf schwarze Kassen außerhalb des Landeshaushalts transferiert zu haben. Ein Schaden von rund 20 Millionen Mark sei für den Landeshaushalt entstanden. Dazu kommt: Bis heute ist noch kein deutscher Beamter wegen rechtswidrigem Umgang mit Steuergeldern verurteilt worden. „Haushaltsuntreue“, wie die Staatsanwaltschaft Affelds Verhalten nennt, ist ein denkbar schwerer Verstoß gegen das Ethos der Beamtenschaft.

Affeld scherzte, als seine Personalien noch einmal aufgenommen werden müssen. Affelds Anwalt hatte die Neuaufnahme des Verfahrens erzwungen, weil beim ersten Versuch ein Schöffe als Stasi- Spitzel enttarnt wurde. Gestern hatte sich die Kammer alle Mühe gegeben und neben vier Ersatzschöffen sogar einen Ersatzrichter nominiert. Dennoch wollen die Verteidiger am Freitag erneut die Auswahl der Schöffen rügen.

Der Kern des Verfahrens ist den Menschen in Brandenburg schwer zu vermittlen. Schließlich hat keiner der Beklagten in die eigene Tasche gewirtschaftet. Gelder, die zur Förderung von Betreuungsdiensten chronisch Kranker bestimmt waren, drohten jeweils zum Ende eines Haushaltsjahres zu verfallen. Damit dies nicht geschieht, haben Affeld und seine Mitarbeiter die Gelder auf externen Konten „geparkt“. Für die Staatsanwaltschaft ist dies ein „immer größer werdender Sumpf“. Die Verteidigung hingegen argumentiert, es habe lediglich die Genehmigung des Finanzministers gefehlt, sonst sei das Verfahren korrekt gewesen. Strafrechtlich relevant sei das Ganze auf keinen Fall, da die Bewilligung von Geldern entgegen dem Haushaltsrecht nicht den Strafbestand der Untreue erfülle.

Nicht nur die Verteidigung vermutet, der Prozeß ziele gar nicht auf den längst außer Dienst gesetzten Staatssekretär, sondern auf seine noch amtierende Ministerin, Regine Hildebrandt. Hildebrandt, die wohl populärste ostdeutsche Sozialdemokratin, hat nie versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Beim gescheiterten Prozeßauftakt Mitte Februar hatte sie Detlef Affeld im Gerichtssaal umarmt. Gestern war Hildebrandt nicht im Potsdamer Gericht, gegen sie läuft mitlerweile selbst ein Ermittlungsverfahren. Am Wochenende waren neue Vorwürfe laut geworden, Hildebrandts Sozialministerium würden Rückzahlungen in Millionenhöhe von Bundeszuschüssen für Altenpflegeheim drohen. Robin Alexander