Attentat auf Menschenrechtler

Akin Birdal, Vorsitzender des türkischen Menschenrechtsvereins, noch immer in Lebensgefahr. Unerschrockener Ankläger der Folter und Kurdenverfolgung  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Die beiden Attentäter wähnten sich offenbar in Sicherheit. Völlig selbstsicher spazierten sie gestern kurz vor zwölf Uhr in die Zentrale des Menschenrechtsvereins (IHD) in Ankara. Erst plauderten sie mit der Sekretärin, dann drangen sie ins Arbeitszimmer des Vorsitzenden Akin Birdal. Nachdem sie acht Schüsse auf ihn abfeuerten, verließen die beiden in aller Ruhe die Büroräume im Zentrum der Stadt. Den 50jährigen Birdal, Symbolfigur der Menschenrechtsgruppen in der Türkei, ließen sie blutüberströmt am Boden zurück. Selbst nach einer mehrstündigen Notoperation schwebt Birdal noch immer in Lebensgefahr.

Der Vorsitzende des unabhängigen IHD setzte sich seit Jahren für Opfer staatlicher Repression ein. Gefolterte, vertriebene Kurden, politisch Verfolgte – fortwährend war Birdal im Einsatz, sprach bei Regierungsstellen vor, mobilisierte Öffentlichkeit und Medien. Als Seele der Menschenrechtsbewegung in der Türkei genießt Birdal auch internationales Ansehen. Hohe Staatsgäste in der Türkei schauten immer wieder bei Birdal vorbei. Nur wenige Tage vor dem Attentat hatte er ein Gespräch mit dem US-Botschafter.

Der Feindschaft von seiten der Regierung und der Journalisten im Staatsauftrag konnte sich Birdal sicher sein. Mit unzähligen Prozessen vor dem Staatssicherheitsgericht versuchte die politische Justiz ihn zum Schweigen zu bringen. In den vergangenen Wochen wurde Birdal als „Staatsfeind“, „Vaterlandsverräter“ und „PKK-Terrorist“ diffamiert. Die Presse berichtete von angeblichen Aussagen des inhaftierten PKK-Funktionärs Semdin Sakik, die belegen würden, daß Birdal Befehlsempfänger des PKK-Chefs Abdullah Öcalan sei.

Unter den Pfiffen der trauernden Menge bahnte sich gestern die Politikerprominenz durch eine Polizeikette den Weg ins Krankenhaus. Innenminister Murat Basesgioglu sprach ebenso wie der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Ecevit von „großer Trauer“. Die Urheber der Hatz vergossen Krokodilstränen. Die Sondereinheiten für Terrorismusbekämpfung, die in den vergangenen Jahren Birdal immer wieder festgenommen hatten, sperrten den Tatort ab. 13 Mitglieder des Vereins für Menschenrechte wurden bislang Opfer staatlich gedeckter Killer. Für den IDH steht auch dieses Mal fest: „Der Staat ist verantwortlich.“ Beim privaten Nachrichtensender NTV hat sich die rechtsextreme „Türkische Rachebrigade“ zum Anschlag bekannt.

Bundesaußenminister Klaus Kinkel forderte von der türkischen Regierung eine schnelle Aufklärung des Attentats. Er hatte sich immer wieder mit Birdal getroffen, zuletzt 1997.