Die Koalitionskröte bleibt SPD und CDU im Hals stecken

■ In Magdeburg sind beide Parteien im Streit um DVU und PDS endgültig auseinandergegangen. SPD-Vize Wolfgang Thierse im taz-Interview: „Keine Katastrophe“. CDU-Fraktionschef Bergner kündigt „konstruktive Opposition“ an

Magdeburg (taz) – Eine Große Koalition in Sachsen-Anhalt ist offenbar endgültig vom Tisch. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Rüdiger Fikentscher, sagte gestern nach einem Gespräch mit seinem Amtskollegen von der CDU, Christoph Bergner, er sehe keine Grundlage für eine Zusammenarbeit in einer gemeinsamen Regierung. Zuvor hatte es Bergner erneut abgelehnt, bei der Bekämpfung der rechtsextremistischen DVU neben der SPD auch mit der PDS zu kooperieren.

Als am Vormittag die CDU-Landtagsfraktion zusammentrat, war noch alles offen: Die SPD hatte ein neues Positionspapier in Aussicht gestellt, in dem ein Kompromiß über das weitere Vorgehen gegen die DVU formuliert und, nach dem Scheitern der ersten Gespräche in dieser Frage am Freitag, ein Neuanfang gefunden werden sollte. Die Sozialdemokraten schlugen vor, daß zum Zurückdrängen der DVU „alle übrigen Abgeordneten“ zu einer Übereinkunft kommen sollten. Die PDS war also nicht mehr ausdrücklich als Bündnispartner für SPD und CDU genannt. Fikentscher lud Bergner zu einem Gespräch über „Form und Fragen der parlamentarischen Arbeit“ ein. Um 13.30 Uhr trafen sich dann die Fraktionsvorsitzenden. Fast anderthalb Stunden berieten sie – ergebnislos. Fikentscher sagte, die SPD sei nach wie vor der Meinung, daß die DVU nur zurückgedrängt werden könne, wenn sich alle anderen im Landtag vertretenen Parteien einig sind. Diese Verständigung „muß nicht schriftlich“ fixiert sein. Doch leider sei die CDU „nicht einmal hierzu bereit“. Bergner sagte, der neue Formulierungsvorschlag der SPD sei nur eine semantische Korrektur. Er betonte erneut die Linie der CDU: „Eine gemeinsame Bekämpfung der DVU mit der PDS ist nicht richtig.“ Die Geschäftsordnung des Landtags genüge als Grundlage für eine Bekämpfung der DVU.

Nach Ansicht Bergners müßten aus dieser Meinungsverschiedenheit „keine weitreichenden Schlüsse gezogen werden“. Doch genau das tut nun die SPD. Sie sieht die „geringste Voraussetzung“ für eine Große Koalition in Frage gestellt. Fikentscher erklärte: „Wenn es bereits in dieser Frage solche grundsätzlichen Unterschiede gibt, sind weitere Gespräche wenig erfolgversprechend.“ Bergner kündigte an, daß die CDU eine „konstruktive Oppositionsrolle“ übernehmen werde.

Die SPD-Spitze in Bonn will nun vermeiden, daß die Probleme bei der Regierungsbildung in Magdeburg den Bundestagswahlkampf beeinträchtigen. Daher habe man beschlossen, das Thema „runterzuhängen“. Der stellvertretende SPD- Vorsitzende Wolfgang Thierse sagte im taz-Interview, es gehe in Sachsen-Anhalt nicht um eine Große Koalition um jeden Preis. Er machte aber deutlich, daß die SPD kein loser Verbund von Landesparteien sei, sondern eine gemeinsame Partei, „die 1998 nur eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat: Kohl nach 16 Jahren endlich abzulösen“. Toralf Staud

Interview mit Wolfgang Thierse Seite 6