„Der grüne Blick ist verlorengegangen“

■ GAL-Landeschefin Antje Radcke im Interview über realregierende grüne SenatorInnen

taz: Die GAL ist mit der Arbeit der grünen SenatorInnen höchst unzufrieden. Könnte man die Beschlüsse des Landesvorstandes ein Mißtrauensvotum nennen?

Antje Radcke: Nein. Wir wollen, daß wir auf Vorhaben des Senats besser und rechtzeitiger einwirken können.

Also mehr Kontrolle?

Ich würde es mehr Politik-Management nennen.

Was machen die grünen SenatorInnen denn falsch?

Der Verwaltungsalltag kostet sicher enorme Anstrengungen. Und dabei ist teilweise der grüne Blick verlorengegangen. Das sieht man am Handlungskonzept für St. Georg. Und ich erwarte nicht nur von der SPD, sondern auch von unseren Leuten, daß über wichtige Themen eine Diskussion stattfinden muß.

Das ist bei St. Georg nicht geschehen. Hat die GAL die falschen Personen in den Senat geschickt?

Ich stelle mir manchmal vor, es machte jemand anderes und stelle schnell fest: Es ist ein verdammt schwieriges Geschäft.

Die Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (GAL) findet, daß man beim Regieren vom grünen Wahlprogramm abstrahieren müsse.

Sie hat es sogar noch schärfer formuliert, und das empfinde ich als Problem. Ein grünes Senatsmitglied kann nicht von der Parteizugehörigkeit losgelöst werden. Ich erwarte, daß grüne Inhalte im Regierungshandeln sichtbar werden.

Die nächste Katastrophe ist programmiert: Wird das Mühlenberger Loch mit murrender Zustimmung der GAL zugeschüttet?

Unwahrscheinlich. Ich halte es im übrigen für keinen feinen Zug, daß die Wirtschaftsbehörde bereits vorgeprescht ist, ohne daß unser Umweltsenator Stellung nehmen konnte. Ich fürchte, daß da viel mehr hintersteckt als nur eine Stilfrage. Wir müssen darauf bestehen, daß alle Standorte für die DASA-Erweiterung ernsthaft geprüft werden.

Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) fürchtet, daß Teile der GAL einfach noch nicht regierungsfähig sind. Liegt da das Problem?

Das bestreite ich. Aber es ist schwieriger als erwartet, sich von einer Oppositions- in eine Regierungspartei zu wandeln. Da ist nichts mehr so, wie es vorher war. Wir müssen diese neue Rolle schon ausfüllen, ohne sie immer gefunden zu haben.

Die CDU hat der GAL hämisch „viel Spaß mit dieser SPD“ gewünscht. Habt ihr den?

An diese Worte habe ich oft denken müssen. Eigentlich haben wir spätestens seit den Koalitionsverhandlungen gewußt, was auf uns zukommt. Ich bin schon überrascht, daß die SPD uns so häufig geradezu brüskiert.

Interview: Silke Mertins