"Mr. Candy Bomber" in Berlin

■ Die Ausstellung "Auftrag: Luftbrücke" im Technikmuseum demonstriert politische, soziale und technische Aspekte der Blockadezeit. Dokumentarisches Filmmaterial aus Ost und West

Der ältere Herr mit der schwarzen C-47-Fliegerkappe auf dem Kopf grinst über beide Backen. Er freut sich wie ein Kind im Jahrmarktsflieger, wenn sich das Cockpit nach allen Seiten neigt. Ohne diesen bereits Ende der 20er Jahre von Edward Link entwickelten Flugsimulator wäre das Blindflugtraining nie möglich geworden, das für die Realisation der Luftbrücke schlicht und einfach notwendig war. Genau das weiß Gail S. Halvorsen, wie der Mann im Cockpit des Link-Trainers heißt, aus eigener Erfahrung. Schließlich ist er einer der prominentesten Köpfe der Blockadezeit: als „Mr. Candy Bomber“ eroberte der Pilot, der zudem als erster Flieger des Rosinenbomberschwarms in Tempelhof landete, vor 50 Jahren die Herzen vieler Kinder. Jetzt ist er Ehrengast auf der am Dienstag abend eröffneten Ausstellung „Auftrag: Luftbrücke“, die noch bis zum September im Deutschen Technikmuseum zu sehen ist.

In einer historisch nachkonstruierten Wellblechhütte, die vielen Nachkriegsberlinern als Notunterkunft diente, kann sich selbst der jüngere Betrachter in die Zeit der Blockade zurückversetzt fühlen. Davor wurde eine Panzerstraße ausgelegt, die zu einem originalen Rosinenbombertyp Douglas C-47 Skytrain führt.

Das Ziel der Ausstellung ist es, die verschiedenen politischen, sozialen und technischen Aspekte der Blockadezeit zu demonstrieren. Dabei war man bemüht, kein Relikt des Kalten Krieges zu inszenieren, sondern beide Sichtweisen der Blockadesituation – aus Ost- und West-Berlin – zu veranschaulichen. Mit einigem Erfolg. Doch der Besucher sollte Muße mitbringen. Denn auf den ersten Blick wirkt das 150 Quadratmeter große Areal eher klein. Erst bei näherer Betrachtung lassen sich alle Facetten der damaligen Lebensumstände erschließen.

Ein wesentliches Element der Ausstellung ist das dokumentarische Filmmaterial, das zu einem einstündigen Programm von Ost- und Westberichterstattung zusammengeschnitten wurde: In den westlichen Medien ist die Hilfsaktion der alliierten Mächte omnipräsent. So beschreibt der 15minütige Streifen „Rosinenbomber“, der vom britischen Information Services Division (ISD) gedreht wurde, selbst die ausgeklügelte Logistik der Luftbrückenaktion außerhalb Berlins. Im Filmmaterial der Sowjetischen Militär- Administration (SMAD) spielt die Luftbrücke eine überraschend geringe Rolle. Bizarr ist vor allem der Versuch, den Bewohnern in der Sowjetischen Besatzungszone weiszumachen, daß die alliierten Westmächte nicht etwa Lebensmittel herbeifliegen, sondern wegschaffen. Erstaunlich deutlich wird schließlich eines: Ob Ost- oder West-Wochenschauen – in beiden Fällen scheint der Propagandastil des Naziregimes präsent zu sein.

Ein Highlight der Ausstellung ist sicherlich die Inszenierung dreier Schaubilder, die die verschiedenen Lebensumstände der Menschen in der Blockadezeit zeigen. In angedeuteten Häuserruinen erhält der Besucher Einblick in die Küchen dreier Familien in ihren jeweils unterschiedlichen Lebenssituationen: Eine Familie hält sich offensichtlich mit Schwarzmarktgeschäften über Wasser, die Mutter näht ihrem Sohn eine Stange Zigaretten in die Jacke. Eine andere Familie lebt offenbar im Westteil der Stadt: Ob POM- one-Minute Bratkartoffeln oder Swift's Brookfield Milchpulver – sie haben nur zu essen, was sie über die Luftbrücke ergattern können. Die dritte Familie lebt in der SMAD, außer Kohl scheint es hier nicht viel zu geben. Ergänzend zu den Schaubildern laufen alte Rias- Radioreportagen über Kopfhörer, die Stimmen des Volkes auf der Straße bringen. Dabei wurde noch etwas deutlich: Der Rundfunk war das wichtigste Medium jener Tage. Die besondere Erfindung damals: das Radio-Fahrrad, das dem Radler mit Hilfe eines Dynamos ermöglichte, dem Rundfunk auch ohne Strom zu folgen. Der blieb schließlich oft genug aus. Kirsten Niemann