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Schlacht zwischen Ärzten und Polizei in Nicaragua

■ Nach vierzehn Wochen eskaliert der Streik für höhere Löhne im Gesundheitswesen

San Salvador (taz) – Zweimal wollten sich Nicaraguas streikende Ärzte nicht wehrlos von der Straße räumen lassen. Nachdem Spezialeinheiten der Polizei am Montag die Straßenblockaden relativ mühelos beseitigt hatten, lieferten sich die Mediziner am Dienstag eine stundenlange Straßenschlacht mit den Ordnungskräften.

Die Ärzte wollten die Panamerikanische Straße zwischen Managua und dem Internationalen Flughafen blockieren. Dort nämlich sollte an diesem Tag Präsident Arnoldo Alemán auf seinem Weg nach Washington vorbeikommen. Die Polizei ging mit Gummigeschossen und Tränengas gegen die Ärzte vor. Diese wehrten sich mit Knallkörpern und Plastikbeuteln, die mit Formalin gefüllt waren. Sie wurden von Medizinstudenten unterstützt. Mehrere Dutzend Menschen sollen verletzt worden sein.

Seit dem Beginn des Streiks vor 14 Wochen hat sich in den Verhandlungen zwischen den Ärzten des öffentlichen Gesundheitswesens und der Regierung so gut wie nichts bewegt. Kein Wunder: Rein gehaltsmäßig stehen sich dabei zwei Welten gegenüber. Der Gesundheitsminister verdient soviel wie 173 Ärzte staatlicher Kliniken, die im Durchschnitt mit weniger als einhundert US-Dollar im Monat abgespeist werden.

Die Mediziner verlangen zweihundert Prozent Lohnerhöhung sofort und einen Stufenplan für die nächsten Jahre, mit dem ihr Gehalt schrittweise auf das Zehnfache angehoben wird. Die Regierung bietet hundert Prozent mehr Gehalt an. Selbst der Vermittler im Streik, Managuas rechter Erzbischof Miguel Obando y Bravo, hat dreihundert Prozent vorgeschlagen.

Der Arbeitskampf begann vor vierzehn Wochen auf die sanfte Art. Zunächst stellten die Ärzte ihre Sprechstunden ein und vergaben keine Termine mehr für aufschiebbare Operationen. Die rechte Regierung unter Arnoldo Alemán nahm das nicht ernst. Der Präsident empfahl den Nicaraguanern schlicht, sie mögen doch statt staatlicher Krankenhäuser die (für die meisten unbezahlbaren) privaten Arztpraxen aufsuchen.

Als nächster Schritt wurde der Notdienst eingeschränkt: Die Krankenhäuser nahmen nur noch wirklich lebensgefährdete Patienten auf. Die Regierung entließ daraufhin rund zweitausend Ärzte und ersetzte einen Teil von ihnen mit Streikbrechern: Mediziner, die seit Jahren in der Verwaltung des Gesundheitswesens arbeiten und kein Skalpell mehr in die Hand genommen haben, wurden in die Notdienste der Krankenhäuser beordert. Unter den Händen der aus der Praxis gekommenen Bürokraten häuften sich die Todesfälle.

Die Streikenden wollten das nicht mitansehen und organisierten eigenständig Notdienste. In manchen Kliniken kam es dabei zu Rangeleien mit den vom Ministerium geschickten Streikbrechern.

Einen ersten „nationalen Aktionstag“ der Streikenden am 22. April mit Straßenblockaden im ganzen Land nahm der Präsident noch hin. Am Montag dieser Woche aber, beim zweiten Protesttag dieser Art, demonstrierte Alemán Härte und ließ die Blockierer von der Antiaufstandspolizei wegräumen. Als dann am Montag nacht eine weitere Verhandlungsrunde zwischen Streikenden und Regierung scheiterte, war die Eskalation am Dienstag programmiert. Toni Keppeler

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