Straßenschlachten in Jakarta Noch ein toter Demonstrant

■ Scharfe Schüsse der Polizei fordern ein siebtes Todesopfer. Indonesiens Währung sackt um 15 Prozent ab. Suharto kehrt vorzeitig von seiner Auslandsreise zurück

Bangkok/Jakarta (taz) – Die schwersten Unruhen seit zwei Jahren erschütterten gestern die indonesische Hauptstadt Jakarta. Tausende von Demonstranten lieferten sich in verschiedenen Bezirken Straßenschlachten mit Polizei und Militär. Mindestens eine Person starb, als die Uniformierten in die Menge schossen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas, Gummikugeln und offenbar auch scharfe Munition ein. Soldaten, die am Nachmittag per Hubschrauber zur Verstärkung in die umkämpften Straßen geflogen wurden, kamen zu spät: Zahlreiche Geschäfte waren bereits geplündert worden. Auch in vielen anderen Städten des Landes gingen Tausende auf die Straße. In der Studentenstadt Yogyakarta setzte die Polizei ebenfalls Gummigeschosse und Tränengas ein. Präsident Suharto erklärte, er werde seinen Aufenthalt in Kairo, wo er am Entwicklungsländer-Gipfel teilnimmt, bereits heute beenden. Seine Abreise war ursprünglich für Freitag vorgesehen.

Begonnen hatten die Unruhen am Morgen in der Nähe der Trisakti-Universität von Jakarta, wo gestern bei Demonstrationen gegen die Herrschaft von Präsident Suharto sechs Studenten erschossen und Dutzende verletzt worden waren. Während eine Protestkundgebung auf dem Campus der Hochschule zunächst friedlich blieb, begannen meist jugendliche Demonstranten, außerhalb des Geländes Geschäfte zu plündern und Autos anzuzünden. Die Flughafenstraße, die in der Nähe vorbeiführt, war mehrere Stunden gesperrt. Auch im Zentrum der Stadt waren ganze Straßenzüge abgeriegelt, dort brannten am Abend noch zahlreiche Gebäude. Zerschlagen wurden auch Autogeschäfte, die das „nationale Auto“ Timor verkaufen. Der Timor wird von einer Firma vertrieben, die einem Sohn von Präsident Suharto gehört. Er gilt als Symbol für die korrupte Herrschaft des Regierungschefs, der nach 32 Jahren immer noch unerbittlich an der Macht festhält.

Die Proteste verschärften sich in den letzten Tagen, nachdem der Regierungschef erklärt hatte, er werde Reformen „nicht vor dem Jahr 2003“ zulassen. Dann endet seine Amtszeit.

Als Reaktion auf die Unruhen brachen gestern die Aktienkurse und auch die Währung Indonesiens ein: Die Rupiah sank um mehr als 15 Prozent, die Börse verlor über 6,5 Prozentpunkte. Am schlimmsten betroffen waren Firmen, an denen die Familie Suharto beteiligt ist. Und auch in den asiatischen Nachbarländern reagierten die Investoren und Händler besorgt: In Singapur, Malaysia, Thailand und sogar Hongkong gaben die Währungen nach. Jutta Lietsch

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