Sendekreis der Sesamstraße

■ Mit leichtfüßiger Kammermusik treten Ja König Ja zusammen mit Bernd Begemann und Die Sterne zum Open-Air-Konzert in Planten un Blomen an

Im zweiten Stock des grauen Hauses, das quer zur Straße steht, gehen die Uhren anders. Eine abgenudelte Hilbilly-Scheibe, mit dem damals noch typischen Eigengewicht, dreht ihre Runden. Der drahtige Gitarrist Jakobus Siebels, der sein Haar nach vorne kämmt, versucht sich wie die Cellistin Ebba Durstevitz im Twist. „Die Stadt im Sommer am Brunnen die Fische“, eine Textzeile aus ihrem wohl stimmigsten Stück, kommt einem in den Sinn oder „Hauptsache Spaß“, einem Lied, bei dem sich die Stimmen der beiden manchmal in luftigeren Höhe überschlagen. Oder meinen sie ihre gute Laune etwa gar nicht ernst, und man sitzt einer kaum mehr zu dechiffrierenden Ironie auf, einem perfekten Schauspiel?

„Nun hör ich Lieder, die mich gar nicht berühren.“ Jener erste Satz auf ihrem Debut klingt wie ein Credo, wie eine Absage an den Diskurs-Pop der Hamburger Schule. Und tatsächlich scheinen sich Ja König Ja in ihrer verlängerten Adoleszenz mit einem kindlichen Gemüt einzurichten. Den Titel der Band haben sie einem Puppenmärchen der Sesamstraße entliehen. Darin versucht sich ein König erfolgreich an der Organsiation einer Party. Auf seine Vorschläge reagieren seine Untertanen mit begeisternden „Ja-König-Ja“-Rufen. Über Ernie und Bert und „diesen Typen, der immer gebückt ausgeht“, mit dem wohl Graf Zahl gemeint ist, will sich das kammermusikalische Paar viel lieber unterhalten als über etwaige in ihrer Musik angelegte Fallstricke. Oder aber Jakobus strapaziert das Cello, auch wenn kein Kollophonium auf dem Bogen ist.

Ja König Ja klingen wie eine auf die Spitze getriebene Privatisierung und Verniedlichung der Hamburger Szene. „Ich bin so klein, mein Herz ist rein“, heißt es an einer Stelle zur Kammermusik aus Cello und Gitarre und Hölzern von Marko Dreckkötter – eine Besetzung, für die ja in der Tat die Kammer genügt. So wie sich Bands Fünf Freunde nennen und Tocotronic den Twenty-Somethings noch „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“ vorsingen, so wie man im Pudelsclub im Garten unter dem Wellblech sitzt, feiert man als Camp im fortgeschrittenen Alter seine Kindheit.

Ja König Ja waren eine Zeitlang die Hausband im Pudels. „Nach den Konzerten“, erzählt Siebels, der zuvor für Das Neue Brot textete, augenzwinkernd, „kamen durchschnittlich fünf Leute, die ihrer Begeisterung mit neuen Wortkreationen wie 'ganz zauberhaft' Ausdruck verleihen wollten.“ Also meint das Königspaar doch alles ironisch? Oder sind sie einfach naiv und wissen darum, was Naivität wieder erträglich machen würde? „Naiv sind Leute wie Lucilectric“, entgegnet Ebba Durstevitz. “Unsere Musik ist eher unschuldig und unbeleckt. Jedenfalls sind wir keine von diesen Erlebnisjunkies, die meinen, weil sie in Thailand waren, hätten sie schon alles gesehen. An einer Stelle singen sie „Ich habe noch nichts gesehen, habe nur gehört.“

Was denn eigentlich ein Erlebnis sei, fährt Ebba Durstevitz fort und versetzt einen mit „Das können doch durchaus kleine Dinge sein“ kopfüber in die Logik eines Selbstfindungskurses. Doch dann kommen mit entwaffnender Leichtigkeit eine Reihe Beispiele: wenn man den Kühlschrank aufmacht und die Milch fällt raus oder wenn man die Tür zumacht und ein Loch ist in der Wand, wie Ebba zuletzt wiederfahren. Oder, natürlich, wenn Bert nicht die Prinzessin Quindal werden will.

So quer wie ihr Haus zur Staße steht, stellen sich auch Ja König Ja mit Hilfe der Sesamstraße quer zur Erlebnisgesellschaft.

Volker Marquardt Ja König Ja, Bernd Begemann und Die Sterne: Sa, den 29. Juli, Muschel in Planten un Blomen, 17 Uhr