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: Mrs. Parker

Eine in grobkörnigem Schwarzweiß gefilmte Frau rezitiert einen rätselhaften Text (irgend etwas mit April und Liebe, wenn ich mich recht erinnere). Aha, also wehmütige Erinnerungen an die lasterhafte Zeit. Dann ein Studiogelände, immer noch schwarzweiß, aber schon etwas feinkörniger. „Hollywood 1937“, verrät eine Texteinblendung. Ein Mann und eine Frau begegnen sich, die sich von früher her zu kennen scheinen. Ich denke an Prostitutions-Skandale, die mit schöner Regelmäßigkeit die Filmschickeria in Hollywood aufschrecken, Callgirls, die hohe Schweigegelder kassieren, und warte weiter auf die Sex-Geschichte. Jetzt wird die Leinwand farbig und signalisiert, daß der Film auf seiner Haupterzählebene, offenbar irgendwo in den zwanziger Jahren, angelangt ist. Wir sehen einige Leute in einem engen Büro, möglicherweise Redakteure oder Verlagsangestellte. Später treffen sie sich aus unerfindlichen Gründen mit einigen anderen in einem Restaurant und reden sehr klug daher. Mrs. Parker scheint wohl doch keine Puffmutter zu sein.

Das Presseheft verschafft letzte Gewißheit: Dorothy Parker war Schriftstellerin, sogar eine berühmte, angeblich eine „der begehrtesten und intelligentesten Protagonisten des Jazz-Zeitalters“. Und die Leute, die sich im Restaurant trafen, bildeten die Algonqin-Tafelrunde, eine Gruppe von Schriftstellerinnen, Kritikern, Schauspielern und Künstlern, die sich über zehn Jahre regelmäßig zum Mittagessen versammelten. Ach so. Noch manches Wissenswerte über Leben und Werk von Frau Parker wäre aus dem liebevoll gestalteten Presseheft zu erfahren. Aber wenn ich etwas hasse, dann ist es elitäres Bildungskino für Eingeweihte. Filme, denen ich erst nachträglich durch das Studium von Sekundärliteratur einen Sinn geben kann, erspare ich mir lieber gleich ganz. H.-A. Marsiske