Emotionale Hochmesse

■ St. Pauli gegen Celtic: Am Mittwoch feiert sich bierselig die Hamburg-Glasgow-Connection Von Raser

Das Wilhelm-Koch-Stadion wird bekanntlich in medialer und volkstümlicher Artikulation als Lokalität rauschender Fußballfeste gerühmt. Wenn dort am kommenden Mittwoch (Anpfiff 20 Uhr, ab 15 Uhr bereits Party mit „Irish Brigade“) der 35fache schottische Meister Celtic Glasgow mit zehn aktuellen Nationalspielern antritt, wird es mehr sein als die stimmungsvolle Standardparty, es wird ein Tag der Begegnung in Freundschaft und Liebe sein. St. Pauli- und Celtic-Fans werden als Zeichen ihrer innigen Verbindung eine Art emotionaler Hochmesse begehen, die bekannte (Selbst-)Inszenierungen am Millerntor weit übersteigen soll.

„Paadie grandioso“, euphorisiert das Fanzine „Übersteiger“ voller Vorfreude auf die Begegnung, zu der 5 000 schottische und irische Fußballfreaks erwartet werden. Initiiert wurde die harmonische Hamburg-Glasgow-Connection Anfang der neunziger Jahre durch einige unermüdliche St. Pauli-Veteranen, die beim branchenüblichen Fan-Tourismus Gleichgesinnte aus dem Schottischen fanden. Gemeinsamkeiten waren alsbald ausgemacht: „Political correctness“ – im Verständnis linker Fußball-Fanzine-Macher – heißt die Vokabel, die man gerne zusammen dekliniert und durch antirassistisches Engagement mit Inhalt füllt.

Ohnehin werden beide Klubs gerne als Arbeitervereine verklärt, die sich als die kleineren Metropolenklubs gegen die Etablierten behaupten müssen: St. Pauli steht (noch) im Schatten des HSV, die Glasgow Rangers liefen Celtic in den vergangenen Jahren den Rang ab. Nun sind die in subversiver Solidarität Verbandelten bald wieder fein beieinander und gewähren Einblick in das noch nicht hinreichend erforschte Wesen des Phänomens Fan-Freundschaften, das nicht nur in der Fußball-Bundesliga grassiert.

Was steckt hinter diesem Verlangen nach ekstatischer Eintracht mit den Anhängern des gegnerischen Teams? Überwindet der Fußballfan erst in der Clique die Vorbehalte gegen den Fremden, der so zum Nächsten wird? Käme der gewöhnliche St. Pauli-Fan in Verdacht, einen berauschten schottischen Bauarbeiter außerhalb der Intimsphäre Millerntor zu herzen? Oder würde gar der Gelegenheitsfan in Gestalt des yuppisierten Studenten (Achtung: Handy nicht vergessen) sich in Pöseldorf zum kollektiven Absingen schmissiger schottischer Fußball-Gassenhauer hinreißen lassen? Wohl kaum.

Nach dem fansoziologischen Anschauungsunterricht gewährt St. Pauli-Trainer Uli Maslo in einer Talkrunde mit seinem schottischen Pendant Tommy Burns einen seltenen Einblick in seine englischen Sprachkenntnisse: Wattenscheid meets Glasgow. Sollte mensch nicht versäumen.

Außerdem servieren die Bollock Brothers, ausgewiesen leidenschaftliche Celtic-Fans, in der Markthalle die – anachronistische – dritte Halbzeit, um emotional noch den letzten Rest rauszuholen. Das programmatische Thema des Gigs: To be a Sex Pistol for a day.