Ausgelacht

■ Abschied von der US-Serie "Seinfeld": Abgesang einer TV-Ära

Geendet hat es, wie es vor neun Jahren angefangen hatte – mit Selbstzitat und Selbstbeschau, mit der Selbstdarstellung der Darsteller. Am Donnerstag sendete NBC in den USA die letzte Folge der TV-Serie „Seinfeld“, und der Abgesang erzielte Rekordquoten und -werbeeinnahmen.

Worum es ging? Um nichts. Das jedenfalls war das Markenzeichen zweier New Yorker Stadtneurotiker. Jerry Seinfeld, der Woody Allen der 90er Jahre, und Autor Larry David spielten sich selber – und ihr Dilemma als Komiker. Was ist schon komisch, und woher den Stoff nehmen, der die Leute zum Lachen bringt, Abend für Abend? Aus der Anstrengung der Komiker. Das war einst die Grundidee. Ein Dutzend Folgen sollten es erst werden – doch dann wurde die erfolgreichste Serie des Jahrzehnts daraus. Einmal die Woche traten vier New Yorker Freunde, drei Männer und eine Frau auf, verwickelten sich ineinander und verstrickten sich in die Absurditäten des amerikanischen Alltags.

Manche Episoden wurden zu Klassikern. Wer auf sie anspielen konnte, war in. Was den Witz der Serie ausmachte, war eine Verabredung, eine Übereinkunft derer, die sich zur Gemeinde rechneten. Die Anspielungen verstanden nur die wenigsten.

Einst gab es eine Zeit, da gab es in Amerika drei Fernsehsender. Deren Sendungen waren anderntags Gesprächsthema in Kneipen und Büros. Mit diesem Mythos spielte Seinfeld, denn längst ist die Fernsehlandschaft durch Hunderte von Kanälen balkanisiert, Kneipen gibt es immer weniger, und Büros weichen dem Modem. Die Zuschauerquoten der großen Sender gehen ständig zugunsten der Kabel- und Satellitenkanäle zurück und die Zahl der Fernsehzuschauer überhaupt zugunsten von Videos und Surfreisen im Internet.

Auch damit spielt Seinfeld. Die Serie war wie ein Schwanengesang auf die einigende Kraft übersichtlicher Medienangebote, die sie in dessen Dämmerung noch mal aufleuchten ließ. Es gab auch mal eine Zeit, da Gemeinschaft durch gesellschaftliche Institutionen gestiftet wurde, durch Nachbarschaft, Schule, Gemeinde... Die US-Gesellschaft aber ist schon seit Ende der 50er so zersplittet wie die Siedlungsstruktur der Vorstädte. Die großen TV-Serien wurden zu dem, was noch Zusammengehörigkeitsgefühl suggerierte. Ihre Helden waren vielen bald vertrauter als Nachbarn und Kollegen. Auch mit diesem Sachverhalt spielte Seinfeld. Er inszenierte diese Ersatzgemeinschaft und gab sie zugleich der Lächerlichkeit preis. Aber so gibt es in Wirklichkeit keine Gemeinschaft mehr. Gemeinschaft ist, wenn man gemeinsam über deren Illusion lachen kann. Aber mit „Seinfeld“ hat sich's nun ausgelacht. Peter Tautfest