Energie für die ganze Region

Wie das Schönau-Kind „Gedea“ die regenerativen Energien voranbringt. Neues Projekt: die Reaktivierung des Schwarzwälder Linach-Wasserkraftwerkes  ■ Von Bernward Janzing

Wer von „Schönau“ spricht, denkt an die „Stromrebellen“. Sie kämpften jahrelang für ein eigenes Stromnetz in ihrem Schwarzwalddorf, forderten bessere Vergütungen für umweltfreundlichen Strom und strebten an, den Atomstrom aus dem Ort zu verbannen. Seit die engagierten Schönauer Bürger im vergangenen Sommer tatsächlich das örtliche Stromnetz von den Kraftübertragungswerken Rheinfelden übernommen haben und die Energiewende vorantreiben, ist es ruhig geworden um die Öko- Kämpfer. Doch der Schein trügt. Still und unspektakulär haben die Schönauer zeitgleich mit dem Kampf um die Netzübernahme auch eine Gesellschaft gegründet, die daran arbeitet, die Energiewende in die ganze Region hinauszutragen. Der Name: Gesellschaft für dezentrale Energieanlagen, kurz: Gedea. Und immer häufiger, wenn im Schwarzwald historische Wasserkraftwerke reaktiviert werden, steckt dieser Ableger der Schönauer „Stromrebellen“ dahinter. Rund ein Dutzend Kraftwerke – neben Wasserturbinen auch Wind-, Biomasse- und Blockheizkraftwerke – hat die Gedea bereits realisiert. Inzwischen hat sich die Gesellschaft verselbständigt und ihren Sitz von Schönau ins württembergische Murrhardt verlegt.

Bei der Wahl ihrer Projekte schreckt die Gesellschaft – noch immer Schönau-typisch – auch vor großen Aufgaben nicht zurück. Das derzeit wohl spektakulärste Vorhaben ist die Reaktivierung eines historischen Kraftwerkes nebst Talsperre – ein Millionenprojekt, an das sich drei Jahrzehnte lang weder die Gemeinde noch das Land getraut haben, geschweige denn das regionale Energieversorgungsunternehmen.

Bei dem ambitionierten Projekt handelt es sich um das Linach- Kraftwerk in Vöhrenbach im Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Werk aus den 20er Jahren, einst eines der bedeutendsten Speicherkraftwerke des Schwarzwaldes, wurde im Dezember 1969 stillgelegt. Für die Gemeinde als bisherigen Betreiber war die Stillegung ein lukratives Geschäft: Der Stromversorger Kraftwerk Laufenburg zahlte der Gemeinde 300.000 Mark für die Stillegung und versprach, für eine Vöhrenbacher Schule eine Stromheizung im Wert von 150.000 Mark zu finanzieren. Der Gemeinderat stimmte der Stillegung zu, obwohl das Werk bis zuletzt Gewinn abwarf – eine Entscheidung mit fatalen Folgen: Die historische Staumauer begann zu verfallen, auch das Krafthaus rottete vor sich hin. Obwohl als Kulturdenkmal eingestuft, kümmerte sich niemand mehr um die Anlagen. Ein Gutachten, das die Mauersanierung auf 8,7 Millionen Mark taxierte, machte 1990 endgültig alle Hoffnungen auf eine Reaktivierung zunichte. „Kein Geld“ hieß es fortwährend bei Stadt und Land – obwohl die Talsperre auch für den Hochwasserschutz im flußabwärts gelegenen Bregtal sehr wichtig gewesen wäre.

Dann nahm sich 1996 die Gedea des Falls an und schloß schon bald einen Pachtvertrag mit der Gemeinde Vöhrenbach. Aus der Bevölkerung in der Region kam viel Unterstützung: Mehr als 50 Gesellschafter, vom Landwirt über den Arzt bis zum Hochschullehrer, brachten eine viertel Million Mark zusammen und hoben die Wasserkraft Linach KG aus der Taufe. So konnte im letzten Herbst das Krafthaus saniert werden, die Turbinen sind in diesen Wochen an der Reihe. Schließlich soll das Werk vom 16. Dezember an wieder Strom ins Netz liefern – auf den Tag genau 75 Jahre nach der ersten Inbetriebnahme. Dann wird die Gedea vollbracht haben, was in der Region schon seit Jahren niemand mehr für möglich gehalten hatte.

Stets waren alle Reaktivierungs-Bemühungen daran gescheitert, daß niemand die Kosten der Mauersanierung zu tragen bereit war. Also blieb das gesamte Kraftwerk unberührt. Die Gedea aber ließ im ersten Schritt die Mauer beiseite und konzentrierte sich allein auf das Kraftwerk, das als Ausleitungskraftwerk ohne Stausee zwar nur zwei Drittel der Energie erzeugen wird, aber dafür statt mehr als acht Millionen nur eine Million Mark für die Sanierung benötigt. Sobald das Kraftwerk erst einmal läuft, so das Kalkül der Gedea, werde es erheblich leichter sein, Unterstützung für die Sanierung der Mauer zu finden. Und der Zuspruch der Öffentlichkeit läßt vermuten, daß diese Hoffnung begründet ist.

800.000 Kilowattstunden wird die Gedea jährlich in Linach erzeugen, 2,5 Millionen produziert sie mit ihrem gesamten Kraftwerkspark schon heute pro Jahr. In naher Zukunft soll noch einiges hinzukommen: „Wenn alle unsere für 1998 geplanten Kraftwerke ans Netz gegangen sind, sind wir bei 9 Millionen Kilowattstunden jährlich“, sagt Dieter Schäfer, Geschäftsführer der Gedea. Und das ist immerhin genug, um einen Ort mit 10.000 Einwohnern mit Haushaltsstrom zu versorgen.

Dazu beitragen soll auch die „Seemühle“, ein Wasserkraftwerk in der Stadt Hüfingen. Das Werk wurde im Jahr 1909 am örtlichen Gewerbekanal gebaut, 1973 aber stillgelegt. 25 Jahre später, im März 1998, hat nun die Gedea eine Gesellschaft gegründet, die das traditionsreiche Werk – immerhin gingen aus der Seemühle die örtlichen Stadtwerke hervor – wieder ans Netz bringen will. Mit zwei Windkraftanlagen auf dem Kandrich im Hunsrück und einem Klärgas- Blockheizkraftwerk rundet die Gedea ihr Programm ab.

Prinzip der Gesellschaft ist es, immer möglichst viele Menschen in die Projekte einzubinden. Mit Beträgen, die oft deutlich geringer sind als die Mindestsummen bei den bundesweit agierenden Windpark-Anbietern, können sich Interessenten an den Gedea-Projekten beteiligen. Und wer das tut, bekommt genau vorgerechnet, was sein Geld „leistet“. Zum Beispiel bei der Wasserkraftanlage Linach: Mit einer einmaligen Beteiligung von fünftausend Mark werden am Anfang 3.600, nach Tilgung der Bankkredite gar 6.600 Kilowattstunden Strom jährlich erzeugt. So machen die Schönauer den Ausstieg aus der Atomkraft für breite Schichten möglich.

An folgenden Projekten ist eine Beteiligung möglich: Linach- Kraftwerk, Seemühle, Windkraftwerk Kandrich/Hunsrück.

Info: Gedea, Gesellschaft für dezentrale Energieanlagen mbH, Brennäckerstr. 7,

71540 Murrhardt,

Tel. (07192) 900188, Fax 900189.