Kuscheln mit den Stromversorgern

Umweltorganisationen machen Stromkonzerne gesellschaftsfähig. Grenzen zwischen Freund und Feind verschwimmen. Man arbeitet zusammen, zu beiderseitigem Nutzen zwar, nur nicht zum Nutzen der Umwelt  ■ Von Anne Kreutzmann

„Wenn es in Berlin keine kostendeckende Vergütung gibt, dann ist das sicher nicht die Schuld der Bewag.“ Davon ist Stephan Singer vom World Wide Fund for Nature (WWF) überzeugt. Mit solchen Bemerkungen kann er allerdings Irm Pontenagel, Geschäftsführerin der Europäischen Sonnenenergie-Vereinigung Eurosolar, auf die Palme bringen: „Den Berliner Organisationen für erneuerbare Energien fällt der WWF damit in den Rücken.“ Diese kämpfen nämlich bereits seit sechs Jahren für die Einführung des erfolgreichen Aachener Modells in Berlin. Doch obwohl der Berliner Senat die Einführung beschlossen hatte, hat sich bisher der Vorstandsvorsitzende des Berliner Stromversorgers, Dietmar Winje, erfolgreich gegen die Umsetzung des Senatsbeschlusses gewehrt. Nach Winje ist die kostendeckende Vergütung „eine vollkommen ungeeignete Einführungsstrategie für Solarenergie“. Singer sieht das gelassen: „Kein überregionales Energieversorgungsunternehmen will kostendeckende Vergütung. Der Senat hätte seinen Beschluß im Aufsichtsrat der Bewag schon selber durchsetzen müssen.“ Inzwischen ist das Tauziehen um die kostendeckende Vergütung in Berlin ohnehin Historie, da die Stadt ihre Anteile an der Bewag und damit auch ihren Einfluß verkauft hat. Die Bewag fördert jetzt erneuerbare Energien nach eigenem Gutdünken mit einer „Solarstrombörse“ und mit einem „Grünen Tarif“. Beide Fördermodelle werden von Eurosolar und anderen Umweltgruppen als „Alibiveranstaltung“ abgelehnt – eingeführt nur, um Besseres zu verhindern. Der „Grüne Tarif“ wurde zudem gerade in einer Studie des Öko-Instituts in Freiburg als wenig hilfreich für die Einführung der Erneuerbaren kritisiert. Es ist also absehbar, daß die Umweltvereine weiterhin kritisieren und damit den Ruf der Bewag noch mehr verschlechtern.

Da kam das Angebot des WWF – die Initiative ging tatsächlich vom WWF aus, wie Singer betont – gerade recht. Vor wenigen Wochen haben beide auf einer gemeinsamen Pressekonferenz ihre Zusammenarbeit bekundet. Die Bewag finanziert dem WWF eine Drei- Viertel-Stelle in Berlin und versorgt die Stiftung mit allen gewünschten Daten über die Förderprogramme. Der WWF kontrolliert dafür die Verwendung der Mittel und macht Verbesserungsvorschläge. „Natürlich ist ein mögliches Ergebnis unseres Monitorings auch, daß der Grüne Tarif der Bewag ungeeignet ist. Dann könnte es sein, daß wir die kostendeckende Vergütung vorschlagen.“ Eine Verpflichtung, die Ergebnisse des WWF auch umzusetzen, gibt es aber nicht.

Inzwischen haben sich auch andere Stromkonzerne, beispielsweise das RWE, beim WWF gemeldet und suchen ebenfalls die Zusammenarbeit. Doch bevor weitere Verträge gemacht würden, müsse man die Energieversorger einem „Glaubwürdigkeits-Check“ unterziehen. Das RWE hätte da, obwohl ebenfalls ein „Grüner Tarif“ angeboten würde, wenig Chancen, meint Singer. Bei der Bewag dagegen stimme das Gesamtkonzept: „Die haben viel gelernt.“

Berlin ist kein Einzelfall und erst recht kein Novum. Der Naturschutzbund Deutschland hatte schon vor Jahren nichts gegen RWE-Werbung auf einer Informationsbroschüre zur Windkraftnutzung einzuwenden. Das Solarenergie Informations- und Demonstrationszentrum in Nürnberg wird nicht nur zu 100 Prozent durch die Stromversorger finanziert, sondern bietet auch gemeinsame Weiterbildungsveranstaltungen, beispielsweise mit den Fränkischen Überlandwerken. Der Streitlustigkeit ihrer Mitarbeiter tut dies allerdings keinen Abbruch. Das Öko-Institut in Freiburg läßt sich eine Konferenz von einem der Hardliner gegen das Stromeinspeisungsgesetz, der PreussenElektra, finanzieren, und Thomas Schmalschläger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), legitimiert durch seine Mitarbeit am Solarenergie-Förderprogramm der VEW in Dortmund deren Arbeit. Ähnlich wie die Bewag lehnt auch die VEW Energie AG die kostendeckende Vergütung ab, die vom Dortmunder SPD-Parteitag erhoben wurde. Irgendwann ist eine Grenze überschritten, meint dazu Irm Pontenagel: „Die Frage, ob für ein akzeptables Ziel kooperiert wird, kann leider in den Fällen Bewag/WWF und der VEW/DGS-Projektpartnerschaft nur verneint werden.“ Ihrer Meinung nach „gibt es ein ungeschriebenes Gesetz, daß aus Gründen eigener Glaubwürdigkeit nicht mit denjenigen kooperiert werden sollte, gegen die man sich einst gegründet hat und gegen die eine Alternative durchgesetzt werden soll“.

Thomas Schmalschläger hat keine Bedenken bei der Zusammenarbeit mit der VEW. Hauptberuflich arbeitet er bei den Münchener Stadtwerken und ist überzeugt, daß die Energieversorger nicht das Böse an sich sind, sondern die Verbesserungsvorschläge der DGS ernst nehmen: „Die DGS steht hinter dem Dortmunder Förderprogramm, aber natürlich nicht hinter der kompletten Firmenpolitik.“ Auch Frank Hummel, 2. Vizepräsident der DGS, ist sicher: „Man erreicht nichts, wenn man in den Energieversorgern nur den Feind sieht.“ Um Einfluß zu nehmen, müsse man sich auch an einen Tisch setzen. Doch Pontenagel ist überzeugt, daß ein solcher Kuschelkurs nur kontraproduktiv sein kann: „Mit falschen Partnern können Organisationen für die ökologische Energiewende schneller auf Abwege geraten, als sie es selbst merken.“ Daß es auch anders geht, hat jetzt das Deutsche Windenergie-Institut in Kiel bewiesen. Dort hat man einen von der PreussenElektra finanzierten Stand auf der Hannovermesse abgelehnt. „Ich bevorzuge eine klare Linie“, so Institutsleiter Jens-Peter Molly: „Die PreussenElektra kämpft gegen das Stromeinspeisungsgesetz, und das ist ihr gutes Recht. Aber wir müssen uns ja nicht noch stillschweigend von denen finanzieren lassen.“

Die Autorin ist Geschäftsführerin des Solar-Verlages, der die Fachzeitschrift „Photon“ herausgibt. Kontakt Internet: www.photon.de .