Atombehälter ohne Lizenz

Siemens benutzte in den USA nicht genehmigte Container für Brennelemente. Fehlerursache bei Eisenbahntransporten in Frankreich weiter unklar  ■ Von Peter Sennekamp und Daniel Postulka

Berlin (taz) – Nach Frankreich hat die deutsche Atomindustrie nun auch in den USA einen Skandal am Hals: Die US-Nuklearabteilung von Siemens verwendet seit Jahren Atombehälter des Typs SP-1, die „nicht den Anforderungen der vergebenen Lizenz entsprechen“, so die US-Nuklearbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC). Wolfgang Breyer, der Sprecher der zuständigen Siemens-Tochter, gab den Lapsus gestern gegenüber der taz zu. Sämtliche Behälter ohne Genehmigung seien bis auf weiteres aus dem Verkehr gezogen. Im US-Bundesstaat Washington produziert Siemens Brennelemente für den US-Markt und schafft von dort Behälter mit Brennstäben nach Taiwan und Japan für den Betrieb von Druck- und Siedewasserreaktoren.

Während einer Inspektion identifizierte die NRC bereits im Februar „verschiedene Sicherheitsmängel“, so daß Siemens in einem Dringlichkeitsschreiben an die US-Behörde Ende April eine Überprüfung aller Transportbehälter ankündigte. „Alle Behälter, die nicht den Bestimmungen entsprechen, werden entweder umgebaut oder verschrottet“ so die späte Reaktion von Siemens.

Die Europaabgeordnete Undine von Blottnitz hatte gestern auf den „schwerwiegenden Vorwurf der NRC“ aufmerksam gemacht und wiederholt eine Überprüfung des gesamten Atomtransportbereichs gefordert. Siemens kündigte an, eine „unabhängige externe Organisation“ einzusetzen, die „herausfindet, warum Transportbehälterkomponenten, die nicht den Sicherheitsbestimmungen entsprechen, nicht identifiziert und stillgelegt wurden“.

Auch bei den verstrahlten Eisenbahnwaggons in Frankreich kann die Atomindustrie noch keine befriedigende Erklärung vorweisen. Behälter aus deutschen AKWs hatten radioaktive Hot spots verursacht, deren Strahlung 3.000fach über dem zulässigen Grenzwert lag. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weiß nach Angaben von gestern bereits seit zwei Wochen offiziell über die erhöhten Kontaminationen von Behältern und Waggons Bescheid. Eine zentrale Frage ist, wer für die Dekontaminierung der Waggons zuständig ist. Betreiber, Behörden und Transportunternehmen prüfen ihre Verträge, um zu ermitteln, wer die Waggons hätte säubern müssen, so gestern eine Sprecherin des BfS zur taz. Die Erscheinung der Hot spots sei den zuständigen Behörden schon lange bekannt.

Die Kontamination der Außenwand von Transportbehältern und der Waggons wird auf einer Fläche von 300 Quadratzentimetern gemessen. Ein Durchschnitt von vier Becquerel pro Quadratzentimeter muß dann eingehalten werden. Die radioaktiven Flecken entstehen, wenn sich während der Fahrt Wasser löst, das sich beim Beladen des Behälters im Abklingbecken der Brennstäbe in Ritzen oder an Schrauben gesammelt hat. Wenn das Wasser verdunstet, bleiben die radioaktiven Isotope auf der Oberfläche des Behälters, auf dem Waggon oder in einer Auffangschale zurück. Die Einschätzung der Gefahr dieser Hot spots ist sehr unterschiedlich. Wolfgang Naumann von der Gruppe Ökologie Hannover befürchtet, daß sie von Arbeitern mit der Kleidung aufgegriffen und über den Kontakt der Hände mit der Kleidung später beim Essen aufgenommen werden könnten.