Eine sehr politische Sammelleidenschaft

■ Die Deutschen lassen sich durch die Kritik am Grünen Punkt nicht vom Sortieren abbringen – und zwingen so ganz nebenbei die Politik, das Müllproblem nicht untern Teppich zu kehren

Berlin (taz) – Was? Rewe steigt aus bei Serviceverpackungen? Das klingt zunächst nicht sehr spannend für diejenigen, die ihren Müll täglich trennen, so selbstverständlich, wie sie Zähne putzen. Man hat sich gewöhnt an den gelben Sack. Kaum einer fragt noch nach dem Sinn. Der Dauerstreit um den Grünen Punkt ist ebenso unübersichtlich wie die 5,6 Millionen Tonnen Verpackungsmüll selbst.

Da war die Meldung schon spannender, daß Joghurtbecher nicht mehr ausgewaschen werden müssen – „löffelrein“ genügt. So sammeln die Deutschen pflichtbewußt mehr und mehr: Im vergangenen Jahr etwa trug jeder Bundesbürger 35 Kilo Glas, 18 Kilo Papier, 7,5 Kilo Plastik und 4,1 Kilo Blech aus der Küche in den gelben Sack auf die Straße – mit den ganzen Verbundmaterialien waren es rund 74 Kilo insgesamt, über zwei Kilo mehr als noch 1996. Und damit neun von zehn gekauften Verpackungen. Zahlen muß ein jeder auch für die Abfuhr: Knapp 50 Mark zahlt der Bürger pro Jahr für den Verpackungsmüll, über die höheren Preise beim Einkauf von Joghurten oder Marmelade.

Zwar reklamiert das DSD für sich, daß es die gesetzlich vorgeschriebenen Verwertungsquoten erreicht. Doch eine Studie des Bremer Umweltministeriums kam vor zwei Monaten zu einem anderen Ergebnis. Danach klappt die Wiederverwertung so richtig gut bloß beim Glas und Altpapier. Nur dort werden die vorgeschriebenen Recyclingquoten wirklich erreicht. Beim Aluminium würde die Quote tatsächlich nur zu einem Drittel erfüllt. Am schlimmsten sei es beim Plastik: Ein Drittel wandere in den Restmüll, der Hauptteil werde verbrannt, ein Teil nach Nord-Korea verschifft und nur ein Fünftel „rohstofflich verwertet“, sprich wirklich recycelt. Aber gerade um den schwierigen Plastikmüll ging es eigentlich beim Grünen Punkt.

Schon lange klagen die Umweltverbände, daß der Grüne Punkt nicht die gewünschte Lenkungswirkung habe, um wirklich Müll zu vermeiden. Schließlich klebt der Grüne Punkt unterschiedslos auf allen Einwegverpackungen, egal ob sie zu recyceln sind oder nicht. Natürlich ist es meist besser, Gläser mit Pfand zu kaufen.

Kann es uns also egal sein, wenn Rewe und Metro jetzt versuchen, den Grünen Punkt abzuschießen? Soll man überhaupt noch sammeln? Ja, und dafür gibt es zwei Gründe: Erstens – ganz praktisch gedacht – ist es teurer, das Zeug in die graue Tonne zu werfen, weil dann extra Müllgebühren anfallen. Zweitens und viel wichtiger: Solange massiv gesammelt wird, bleiben Politik, Handel und DSD in der Pflicht, das gesammelte Zeug gescheit wiederzuverwerten. Matthias Urbach