Tüten bedrohen Grünen Punkt

Rewe und Metro drohen bei Scheitern der Verpackungsnovelle mit Teilausstieg aus dem Grünen Punkt. Duales System Deutschland befürchtet jetzt Millionenverluste  ■ Von Niels Boeing

Berlin (taz) – Nach der Handelsgruppe Rewe hat nun auch die Metro AG einen Teilausstieg aus dem Dualen System Deutschland (DSD) angedroht. Die Konzerne sind nicht länger bereit, für ihre Plastiktüten – Serviceverpackungen genannt – den Grünen Punkt zu bezahlen, während Bäckereien, Schuhläden und andere Kleinhändler das nicht tun. Deren Plastiktüten werden aber von den Verbrauchern ebenso in die Gelben Tonnen des DSD geworfen wie etwa Rewe-Tüten. Nur wenn die Verpackungsnovelle, die den „Trittbrettfahrern“ des DSD Lizenzzahlungen für den Grünen Punkt vorschreibt, am 29. Mai den Bundesrat passiert, wollen die beiden Konzerne ihren Teilausstieg nicht wahr machen.

Fritz Vahrenholt, Shell-Vorstandsmitglied und früherer Hamburger Umweltsenator, malte gestern im Handelsblatt bereits den Teufel an die Wand. Ein Ausstieg von Metro würde das Ende des Grünen Punkts bedeuten. Und auch Umweltschützer fürchten, daß die Handelsketten diesen Konflikt nutzen könnten, um den verhaßten Grünen Punkt schließlich ganz zu zerschlagen.

„Die jährlichen Einnahmen für die Lizenzen bei Serviceverpackungen belaufen sich auf etwa 140 Millionen Mark“, sagt DSD-Sprecherin Monika Gabler. Davon kommen 40 bis 50 Millionen Mark durch Lizenzzahlungen von Rewe und Metro in die Kasse. Würden die Trittbrettfahrer bezahlen, kämen noch einmal 160 Millionen hinzu. Das DSD befürchtet nun, daß bei einem Ausstieg von Rewe und Metro andere Unternehmen nachziehen. Dann fehlten am Ende auch die 140 Millionen Mark für die jetzigen Lizenzen.

Angesichts eines Umsatzes des DSD von 4,1 Milliarden Mark im vergangenen Jahr ist der Verlust von 140 Millionen Mark allerdings noch nicht so entscheidend. „Ich würde nicht sagen, daß wir dann vor dem Aus stehen“, wiegelt daher DSD-Sprecherin Gabler ab.

Rechtlich ist ein Teilausstieg möglich. Denn das DSD schließt mit einigen Lizenznehmern sogenannte Getrennt-Sortiment-Vereinbarungen, die für unterschiedliche Verpackungen gelten.

Doch der jetzt erreichte Recycling-Standard in Deutschland, so unbefriedigend er auch sein mag, würde sich in diesem Fall wieder verschlechtern. Denn sollten die Verpackungsnovelle im Bundesrat scheitern und die Konzerne ihre Drohung wahr machen, hat sich auch das DSD gewappnet. Dann schließe man eine drastische Senkung der Recyclingquote auf das viel niedrige EU-Niveau nicht aus. Teilweise liegt es bis zu einem Drittel unter den deutschen Werten – praktisch wäre das eine Bankrotterklärung des DSD. „Wir müssen irgend etwas tun“, rechtfertigt Monika Gabler diesen Plan, „wer nicht zahlen will, muß selbst recyceln.“

Auch Walter Jungbauer, Abfall-Experte beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), findet eine Einbeziehung der Trittbrettfahrer bei Plastiktüten sinnvoll. Ein Ende des DSD halte der BUND für „problematisch“. „Dann würde die Privatwirtschaft aus ihrer Verantwortung entlassen“, warnt Jungbauer und fügt hinzu: „Wir haben kein Alternativmodell zum DSD.“ Erst wenn es keine Einwegverpackungen mehr gebe, könne man ernsthaft über eine Abschaffung des Grünen Punkts nachdenken.

Wie es mit dem DSD weitergehen wird, hängt nun vom Bundesrat ab. Sowohl Umwelt- als auch Wirtschaftsausschuß des Bundesrates haben den Ländern schon Ende März empfohlen, der Verpackungsnovelle aus dem Hause Merkel zuzustimmen, wenn auch mit unterschiedlichen Empfehlungen. Doch die Bundesländer sperren sich, unter anderem, weil sie weitere Belastungen für die mittelständischen Trittbrettfahrer fürchten. Damit würden nur „Metzger und Bäcker über den Tisch gezogen“, um ein in der Struktur unsinniges System zu retten, sagte Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Bärbel Höhn der taz. Kommentar Seite 12