Kommentar
: Die dritte Halbzeit

■ Parteitag: Wenn die CDU nur auf Lagerwahlkampf setzt, verliert sie

Vor vier Jahren ist es Helmut Kohl gelungen, durch eine bemerkenswerte Parteitagsrede die CDU aus ihrem Stimmungstief herauszureißen. Mach's noch einmal, Kanzler. Darauf hoffen die 1.000 Delegierten heute auf dem Bremer CDU-Parteitag, auf daß wenigstens dieses Großereignis des Wahljahres gelingen möge.

Die Einführung des Euro sollte ja, so war's geplant, zum Fest des Kanzlers der europäischen Einigung werden. Die Lobrede des US-Präsidenten in Berlin hat ihm gutgetan, aber sie klang auch wie ein Nachruf. Davor lag Schäubles kühner, aber nicht eben erfolgreicher Versuch, aus der Gefälligkeits- und der Lagerrhetorik aus- und nach vorn aufzubrechen.

Und nun also der Parteitag im Mai, der alles neu machen soll: die Stimmung, das Wir-Gefühl, das Feindbild. „Krönungsmessen“ hat man Parteitage einmal genannt. Wird dieser womöglich zu der unfreiwilligen Abschiedsliturgie für einen Vorsitzenden nach 25 Jahren? Diesen Eindruck wird die Regie zu vermeiden wissen. Der Parteitag wird zeigen, ob die CDU mehr zu bieten hat als eine Polarisierung, Richtungswahlkampf genannt, die bei Schröder vermutlich ins Leere läuft; ob Kohl anzudeuten vermag, warum er noch einmal, gleichsam für eine dritte Halbzeit, gewählt werden will. In den 80er und 90er Jahren hatte er ja immerhin für viele eine Botschaft, erst Konsolidierung und Aufschwung der alten, dann Vereinigung und Aufbau der neuen Republik. Und nun?

Wenn die CDU noch nicht alle Hoffnung fahren lassen muß, dann vor allem deshalb, weil sie auch künftig auf die Beihilfe der SPD setzen kann. Nicht was sie in Sachsen-Anhalt, sondern wie sie es macht, läßt Zweifel aufkommen, denn schließlich haben SPD und PDS angesichts ihrer Geschichte mehr zu klären, als Beschäftigungs- und andere Maßnahmen. Ob die SPD nun die neue Mitte im Westen oder neue Linksbündnisse im Osten sucht: Sie bleibt politisch sprachlos, hat es immer am liebsten möglichst ohne Politik. Es ist hier wie dort dieses Lavieren, ja Mogeln in die Regierung, die keine rechte Freude aufkommen läßt im Wechselmilieu. So lockt die einen die Falle des Politikverzichtes, die anderen die Falle dese Lagerwahlkampfes. Wer von den beiden Parteien Fehler und falsche Fährten meidet, könnte am Ende die Nase vorn – und den Kanzler im Amt haben. Warnfried Dettling

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Der Autor lebt als freier Publizist in München