Käfer unter Leichenteilen

Was sich Firmen einfallen lassen, weil sie glauben, miese PR sei besser als gar keine. Nicht zum Beetle- und Schinken-Fan wurde dennoch  ■ Heike Dierbach

Jemand hat Leichenteile von Tieren an Pfähle gehängt. Davor umringt eine Gruppe Menschen ein rotes Auto, es kommt zu Rangeleien. Eine Frau klettert mutig auf das Autodach und hält eine kurze Rede. Applaus.

Eine Demonstration, gestern um 12 Uhr mittags auf dem Jungfernstieg? Ja – für Autos, Fleisch und eine Springer-Zeitschrift. Bild der Frau und die Firma Abraham-Schinken präsentierten den „New Beetle“, den neuen VW-Käfer, der in Deutschland ab November erhältlich sein soll. Ein Exemplar haben sie jetzt schon aus dem Werk in Mexiko geholt und wollen es verlosen, damit es hier „Menschen glücklich macht“, erzählt der Käfer gerade selbst.

Aber nicht in echt, Carlheinz Hollmann, seit NDR-Schaubuden-Zeiten berüchtigter Schwafler und Organisator der Präsentation, redet für ihn. Zum Beispiel, wie ihn hier in Hamburg ein Bagger „auf der Schaufel mit zu sich nehmen wollte“. Olalá! Ja, „New Beetle flirtet gern“, läßt Hollmann ihn sagen. Deshalb steigt ihm jetzt auch Vicky, eine Dame im Kostüm, „zu Kopf“, will sagen auf's Dach. Die Fotografen drängeln um die besten Plätze.

„Jetzt soll Vicky mal wieder runterkommen, das Dach drückt ein“, tuschelt Hollmann mit Stephan Busch, Verkaufsleiter von Abraham. Dessen an den Pfählen hängende Riesenschinken passen sich in der Mittagshitze in Farbe und Glanz immer mehr „New Beetle“ an. Aber die wahre Gemeinsamkeit ist, daß beide etwas „sehr Emotionales haben“, sinniert Busch.

Tatsächlich – auch der Kurierfahrer, dem „New Beetle“ jetzt den Radweg am Jungfernstieg versperrt, verändert spontan seine Miene und stößt einen emotionalen Laut aus. „Ich bin der Beetle – macht mir Platz!“ ruft Käfer Hollmann, neben dem Auto herkrabbelnd, äh, -laufend. „Er ist wirklich knuddelig“, stellt Rudolf Müller, als stellvertretender Chefredakteur für Springers Frauenbild mitverantwortlich, fest. So einen süßen Käfer muß natürlich als erstes eine Bild-der-Frau-Leserin und Abraham-Schinken-Esserin fahren!

Die fiese Volkswagen-AG wollte das verhindern. Geschäftsmäßig darf das neue Modell noch nicht eingeführt werden, aber „diesen haben wir privat importiert“, erzählt Busch augenzwinkernd. Ein Glück, denn nun werden die HamburgerInnen schon im Mai und Juni so viel glücklicher, wenn „New Beetle“ auf Tournee geht. Zu seinem feierlichen Abschied aus Hamburg soll Vicky jetzt einen „welterschütternden Satz“ sagen, verlangt Hollmann. Es bleibt kein Auge trocken, als sie mit bebender Stimme haucht: „Wir wünschen diesem Beetle eine gute Fahrt.“ Darauf noch ein Schinken-Häppchen.