Ins Leere leben

■ Pointierte Verzweiflung: „Marianne – Solo für zu Hause“ im Monsun-Theater

„Möchten Sie?“ Die adrette Frau im Kostüm bietet den Zuschauern von der Bühne herunter Kekse an. Wie reizend! Doch nicht jeder hat Glück. Manchmal zieht die freundlich lächelnde Frau ihre Keksdose so schnell zurück, daß die Hände ins Leere greifen.

Rückzug – das ist Mariannes Lebensdevise. In pointierten Szenen entwerfen Anke Krahe und Volkmar Hoffmann in Marianne – Solo für zu Hause das auf einer wahren Geschichte beruhende Portrait einer einsamen älteren Frau. Im Büro verteilt sie freigiebig Selbstgebackenes und strotzt vor netter Gepflegtheit, zu Hause aber versinkt sie im Chaos. Keiner darf sie dort besuchen – nicht einmal ihr verheirateter Geliebter.

Geschickt teilt Britta Kloss die Bühne des Monsun-Theaters in zwei streng voneinander getrennte Lebensbereiche auf. Hinten die zugemüllte Wohnung mit einem zerschlissenen Polstersessel als Mittelpunkt. Vorne die Außenwelt, stilisiert durch drei Podeste, auf denen je ein Paar Schuhe steht. Im Büro, in der Boutique oder beim Rendezvous schlüpft Marianne in die Pumps als Insignien der akkuraten Angestellten, zu Hause ordnet sie im Unterrock panisch und sinnlos Kleider- und Zeitungsberge. Die eben erstandene Glitzerstrumpfhose zerreißt sie im Anfall von Zerstörungswut am Bein, die Kostümjacke stopft sie sorgfältig in ein anderes Paar Nylonstrümpfe und läßt die so entstandene Stoffpuppe schließlich achtlos fallen.

Mariannes Verzweiflung, ihre Einsamkeit und Wut zeigt Anke Krahe mit ausdrucksstarker Mimik und hilflos-absurden Gesten sehr eindringlich im Wechsel zwischen Apathie und Manie. Bedrückende Szenen, die im Zuschauer ein Gefühl der Trauer über solch ein gespaltenes, letztlich ungelebtes Leben hervorrufen. Doch so stimmig die einzelnen Episoden, so bruchstückhaft und letztlich kraftlos bleibt das Stück im ganzen. Ohne rechte Entwicklung oder dramaturgische Zuspitzung versandet Mariannes Doppelleben unter der Regie von Volkmar Hoffmann in einem optimistisch anmutenden Schluß, der so gar nichts mit ihrem wahren Ende zu tun hat: Marianne stirbt allein in ihrer kleinen Wohnung. Ihre Leiche wird erst ein Jahr später entdeckt. Karin Liebe