Auf der friesischen Croisette

■ Filmemacher en masse im „Grand Cafe am Stadtgarten“:Das FilmFest Emden ist die Norddeutsche Antwort auf Cannes

Ab heute abend kann man auch in Ostfriesland ein wenig Filmfestival-Luft schnuppern. Es riecht zwar in Emden eher nach Fisch als nach Espresso, aber wenn man am FilmFest-Counter im „Grand Cafe am Stadtgarten“ entlang flaniert, trifft man garantiert Filmemacher en masse. Nur anders als in Cannes kennt sie niemand.

Ein nettes, intimes Filmfest also, bei dem der bekannteste anreisende Star Iris Berben ist, und zu dem als Stammgast alle Jahre wieder Bernhard Wicki geehrt wird. Für die vom Publikum ausgewählten Filme werden von dem berühmtesten Emdener geschaffene „Kamera-Ottifanten“ aus Bronze vergeben, und als größstes Manko laufen auch in diesem Jahr noch einige Filme im „Raucherkino Apollo“ mit der doppelten Belästigung durch schlechte Luft und laute Belüftung. Aber diesmal gibt es genug Ausweichmöglichkeiten: Das Filmfest hat sich regional erweitert, sodaß nun auch in Leer und Aurich Filme gezeigt werden.

Eine Woche stehen hier etwa 50 neue Filme auf dem Programm, und für einige davon lohnt sich durchaus eine lange Anreise: So hat sich das FilmFest mit der Reihe „The British are coming“ seit 1990 auch überegional einen Namen erarbeitet, . Diesmal sind es zehn neue Filme aus Großbritannien, darunter etwa der hoch gelobten „Her Majesty: Mrs Brown“, für den Judi Dench in der Rolle der in ihren Diener verliebten Queen Victoria eine Oscarnominierung errang. Der Eröffnungsfilm „Welcome in Sarajevo“ von Michael Winterbottom erzählt von einem Korrespondenten, der unter größter Gefahr Kriegswaisen aus der belagerten Stadt brachte.

In einer kleinen Werkshow werden vier Filme von Stephen Frears gezeigt, und als wahrhaftige Anglophile vergessen die Emdener auch das Commonwealth nicht, sodaß in einer weiteren Filmreihesechs Filme aus Australien gezeigt werden. Darunter auch „Kiss or Kill“, ein sehr intensives und filmisch originelles Roadmovie; so eine Art „Bonny & Clyde“ mit Känguruhs. In der internationalen Reihe sticht neben Filmen aus Indien, China, dem Iran und Zimbabwe die amerikanische Produktion „Boogie Nights“ heraus, die fast so etwas wie ein keuscher Film über die Porno-Industrie ist, und mit der Burt Reynolds ein ganz erstaunliches Comeback gelang.

Unter den acht deutschen Filmen ist einer fast ein Heimatfilm aus der Region: „Und vor mir die Sterne“ erzählt von Aufstieg und tragischem Fall der Schlagersängerin Renate Kern , die zwar nicht aus Aurich, aber immerhin aus Wildeshausen stammt, und in den 60er Jahren ihr „Du mußt mit den Wimpern klimpern“ bestimmt auch auf Schützenfesten in Ostfriesland gesungen hat. Ein komischer, rührender, manchmal auch erstaunlich boshafter Dokumentarfilm – und wegen solcher schönen, kleinen Entdeckungen lohnt sich ein kleiner Ausflug zum „FilmFest Emden“ allemal. Wilfried Hippen