Kommentar
: Er – ohne Gegner

■ Kohls Kampfesmut eingelullt

Die Kinder juchzen. Sie haben ihn gesehen. Helmut Kohl kommt aus dem Dom, hievt sich in seine Limousine und ist weg Richtung Bürgerweide, zu seiner eigenen Krönungsshow. Niemand bis auf eine knappe Handvoll Menschen ist da, um gegen Kohls Politik öffentlich zu protestieren. Nicht das Jugendbündnis, nicht die Arbeitslosen, nicht Gewerkschafter, keine Autonomen und nicht die PDS.

So erlebte Kohl nicht nur beim Parteitag eitel Sonnenschein. Auch bei seinem Sekundenbesuch in Bremens Zentrum konnte sich der Kanzler geliebt fühlen. In dieser Stimmung wird der Mann nie merken, daß seine Zeit abgelaufen ist. Daß ihm die Claqueure der eigenen Partei nach einer müden Rede enthusiastisch Beifall zollen, ist verständlich. Schließlich brauchen die ihren großen Helmut, sonst verlieren sie womöglich mit der Wahl noch ihre eigenen Jobs.

Aber warum das grabesgleiche Schweigen der Linken im öffentlichen Raum? Ist es Resignation vor dem Phänomen Kohl? Oder die Schwäche der Linken? Nein, wir sind Zeuge einer ausgeklügelten Strategie: Wer sah, wie Kohl einst in Halle tomatenwerfenden Gegnern an die Gurgel ging, handelt gut daran, sich ruhig zu verhalten. Denn wenn sich der Pfälzer am Ende doch noch von einem ausgelaugten Altkanzler in einen schnaubenden Kampfstier verwandelt, gewinnt er am Ende noch die Wahlen. Also: Alle ruhig bleiben und so den müden Bullen völlig einlullen. Joachim Fahrun