„Wir wollen so weitermachen“

■ Bundeskanzler Helmut Kohl warnt in Bremen vor dem „Weg in die linke Republik“ und findet: Seit die CDU mitregiert, geht es mit Bremen aufwärts

Um Viertel vor zwölf stieg Bundeskanzler Helmut Kohl gestern beim Bundesparteitag der CDU in der Bremer Stadthalle aufs Podium. „Seit die CDU mitregiert, geht es mit Bremen aufwärts“, findet der Kanzler warme Worte für seine Gastgeber. „Wir führen Deutschland in das 21.Jahrhundert“ steht auf der Leinwand hinter dem Kanzler. Links daneben hängt eine Weltkugel. Auf vollbesetzten Rängen der Stadthalle sitzen CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Senatoren verloren in der Menge. „Wir wollen so weitermachen, und wir werden es packen“, ruft Kohl den 1.001 Delegierten zu. Die Kamera, die das Geschehen vorn auf der Bühne auf zwei riesige Leinwände überträgt, schwenkt über die erste Reihe. Bürgermeister Hartmut Perschau sitzt zwischen seiner Frau und Hannelore Kohl. Die CDU stehe vor dem „härtesten Wahlkampf der Geschichte“, ruft Kohl. Nur wenn sie zusammenstehe, könne sie gewinnen. „Die Partei kann sich auf mich verlassen. Wir werden um jede Stimme kämpfen“, beschwört der Kanzler die Christdemokraten. Tosender Applaus. Die SPD steht nicht für „eine neue Mitte“, sondern für „die alte Linke“ und verfolge den Weg „in eine linke Republik“. „Das ist die Wahrheit, und das müssen wir den Menschen erklären.“ „Bravo, bravo“, schreit ein Mann auf den Rängen und springt von seinem Platz auf. Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), der ebenfalls vorn in der ersten Reihe sitzt, scheint sich nicht zu rühren. Ob er die Zähne zusammenbeißt?

„Zum Wohl. Die Pfalz“, steht über dem Weinstand in der Presse-Lounge. Hostessen in schwarzen Mini-Kleidern und hochhackigen Schuhen balancieren Reemtsma-Zigaretten auf silbernen Tabletts. Bis zu zehn Stunden halten die jungen Frauen einer Hamburger PR-Agentur die Tabletts. Der Kanzler erreicht die Journalisten in der Presse-Lounge über Fernseher. Der Ton ist leise und wird von dem Geklapper des Eßgeschirrs übertönt. Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Motschmann kneift die Augen zusammen und lauscht offenbar angestrengt den Worten des Kanzlers. „Wem die innere Einheit unseres Landes so wenig am Herzen liegt, der kann nicht Kanzler des wiedervereinigten Deutschlands werden“, sagt Kohl über den SPD-Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder. Die SPD habe das Drogenproblem verherrlicht und „die Polizei im Stich gelassen“, schimpft der Kanzler.

„Na, ob er mit der Rede die Leute vom Hocker reißt“, sagt eine Vertreterin vom Ring Christlich Demokratischer Studenten beim Salat. „Keine Toleranz gegenüber Rechtsbrechern“, mahnt der Kanzler. „Die Trendwende“ am Arbeitsmarkt sei da, sagt er. Die Steuerreform, der Schlüssel für mehr Beschäftigung, werde von der SPD blockiert.

Vor einem Stand auf dem Flur hat sich eine Menschentraube gebildet. „Kampagnen für Kandidaten“ lautet der Slogan, der vor allem Kommunalpolitiker anzieht. Der Reiz, seinen eigenen Kopf auf dem Wahlplakat zu sehen, scheint unwiderstehlich zu sein. Die Kommunalpolitische Vereinigung der Christlich-Demokratischen Union des Landes Nordrhein-Westfalen will CDU-Mandatsträger so für den Wahlkampf fitmachen. „Dirk Butt – ihr Mann für Gelsenkirchen“ wird der Entwurf eines Wahlplakates an die Wand geworfen. Auf dem Computer werden gerade die Ohren eines anderen Kommunalpolitikers begradigt. Daneben bietet das Bildungswerk für Kommunalpolitik Sachsen e.V. das 805 Seiten starke Standardwerk „Grundwissen für Kommunalpolitiker“ an. Preis: 59,50 Mark.

Um halb zwei brandet in der Stadthalle der Applaus auf. Kohl ist mit seiner Rede am Ende. Geschlagene zehn Minuten klatschen die Delegierten in die Hände. „Helmut, Helmut“, skandieren die Christdemokraten. Am Ausgang drängeln sich einige Besucher um einen Stand mit CDU-Souvenirs. Die Postkarte mit dem Konterfei Kohls gibt es umsonst. Eine ältere Frau läßt gleich einen ganzen Stapel Postkarten in ihrem Handtäschchen verschwinden. „Er ist großartig, unser Kanzler“ – sagt sie, und eine Träne rollt über ihre Wange.

Kerstin Schneider

(Zum Parteitag: siehetaz-überregional)