Schwammassenattacke

■ Die Theater Mafia updatet Mrozeks Revolutionsdrama Tango von 1965

Ein echter Kämpfer muß hartnäckig sein. „So, und jetzt suchen wir uns eine Idee“, sagt Artur zu seinen Mitstreitern, als die Revolution mangels geistiger Substanz scheitert. Der junge Mann hat ein Problem: Als Vertreter der nachwachsenden Generation muß er sich im Aufstand üben, und seine Revolte braucht ein Haßobjekt. Doch Papa Stomil und Mutter Eleonore sind selber mal als Rebellen angetreten und wechseln bereitwillig die Seiten. Auch wenn es dem Nachwuchs gar nicht um das Niederreißen von Konventionen, sondern um das Aufrichten neuer Regeln inmitten des tobenden familiären Chaos' geht. Deswegen kommt es in Arturs aufständischem Lager zum Erklärungsnotstand: Revolution? Klar, aber wogegen? Und wofür?

Ideologien sind beliebig wähl- und abwählbar: Das ist heute eine Binsenweisheit. Als Thema eines Theaterstücks von 1965 hört es sich aber ganz anders an. Man muß ja dem polnischen Dramatiker Slawomir Mrozek, der Tango schrieb, nicht gleich prophetische Gaben unterstellen. Wer aber, wie Catharina Fleckenstein von der Hamburger Theater Mafia, das Stück heutzutage inszeniert, muß sich mit zwei Schwierigkeiten auseinandersetzen. Erstens sind nicht alle Passagen in Tango von derart visionärem Charakter. Manches ist durchaus zeitbezogen und wirkt antiquiert. Eine Aktualisierung ist also vonnöten, und dabei scheut die Regisseurin nicht vor Respektlosigkeit zurück. Sogar die Farbe der Kostüme wollte der Autor festlegen, doch Mrozeks Order, an Tango dürfe nicht ein Jota verändert werden, wird selbstredend nicht befolgt. Arturs Eltern etwa lassen sich bestens mit der 68er-Generation identifizieren.

Zweitens aber, und das ist schon, schwieriger, ist das Schlagwort vom „Anything goes“ ja schon zum Allgemeinplatz verkommen. Dennoch macht es Sinn, es auf die Bühne zu bringen, sagt Catharina Fleckenstein. Mrozeks Stück sei auch heute noch geeignet, die Verlogenheit der Berufsjugendlichen zu entlarven, die sich bis zum Ergrauen weigern, die Elternrolle einzunehmen.

Arturs Suche nach einer Utopie gleicht quasi einem Angriff gegen eine Schwammasse. Dabei ist Tango, und das sei das Interessante, komisch und schrecklich zugleich. Der anfängliche Zynismus, mit dem zum Beispiel Artur die Oma zur Strafe auf den Katafalk befördert, wird aufgebrochen und endet furchtbarer als in der klassischen Tragödie: Der Held muß sterben, und das noch nicht mal durch eigene Hand.

„Aufsturz? Umstand? Rebellution? – 150 Jahre deutsches Unvermögen“ lautet im Jahre 1998 das Programm der Hamburger Theater Mafia. Tango scheint dabei einen wichtigen Seitenaspekt zu beleuchten: Wie schwierig ist es, mit Gummiwänden zu reden?

Barbora Paluskova

Premiere: Donnerstag, 21. Mai, 20 Uhr, Altonaer Theater